Scheinwerfer lassen Europasterne über die Wände der Olimpia-Halle in Temeschwar (Timisoara) wandern. Über dreitausend aus ganz Westrumänien herbeigekarrte Anhänger der nationalliberalen PNL harren auf den voll besetzten Rängen in gelb-blauen T-Shirts, Blusen und Krawatten schwitzend der Ankunft ihres Hoffnungsträgers: Ein „normales Rumänien“ fordern ihre Plakate mit dem Antlitz von Staatspräsident Klaus Johannis.

Vor fünf Jahren wurde Klaus Johannis als krasser Außenseiter zum rumänischen Staatschef gekürt. Nun zieht der in Hermannstadt (Sibiu) in Siebenbürgen geborene deutschstämmige Amtsinhaber als haushoher Favorit am heutigen Sonntag in die Präsidentschaftswahl: Auf Rumäniens glitschigem politischem Parkett hat sich der standfeste Sechzigjährige als Garant der Stabilität profiliert.

Eine getragene Hymne kündigt in der stickigen Halle den Erlöser aller Wartequalen an. Die „Ioannis“-Sprechchöre steigern sich zum Orkan, als sich der auf unzähligen Selfie-Fotos verewigte Kandidat händeschüttelnd und mit zum Dauerlächeln gebleckten Zähnen seinen Weg zum Rednerpult bahnt.

Seine Rivalen sind chancenlos

„Der Krieg ist noch nicht vorbei“, warnt Klaus Johannis sein Publikum davor, die mit der Installierung einer PNL-Minderheitsregierung zu Wochenbeginn vorläufig von den Schalthebeln der Macht verdrängten Sozialdemokraten (PSD) zu unterschätzen. Nach den Präsidentschaftswahlen stünden im nächsten Jahr auch noch Kommunal- und Parlamentswahlen bevor: „Wir müssen alle Wahlen gewinnen. Nur so können wir Rumänien wiederaufbauen.“

Zumindest über den Ausgang der Präsidentschaftskür hegen die Wahlforscher keinerlei Zweifel. Umfragen sagen Johannis mit 45 Prozent einen Vorsprung von 30 Prozent auf seine chancenlosen Rivalen voraus. Neben der per Misstrauensvotum aus dem Premiersamt gezwungenen PSD-Chefin Viorica Dancila rechnen sich der Chef der Antikorruptionspartei USR Dan Barna sowie der von dem PSD-Ableger Pro Romania unterstützte Schauspieler Mircea Diaconu Chancen auf den Einzug in die Stichwahl gegen den Platzhirsch aus.

Prinzipientreuer Verteidiger des Rechtsstaates

Johannis sei in einer Zeit ständiger Regierungswechsel das „Symbol der Stabilität“ im Karpatenstaat, erklärt der Bukarester Analyst Cristian Pîrvulescu der Kleinen Zeitung die Popularität des langjährigen Bürgermeisters von Hermannstadt (Sibiu), dessen Umfragewerte die seiner vor wenigen Jahren mit der PSD noch eng verbandelten PNL weit übertreffen: „Wir hatten in fünf Jahren sechs Regierungen. Aber der Staat wurde nur durch eine Person repräsentiert - Johannis. Sein Wort, seine Meinung wurde gehört - auch wenn er keine echte Macht hatte und von der PSD pausenlos infrage gestellt wurde.“

Tatsächlich sollte sich das Staatsoberhaupt beim Tauziehen um die von den Sozialisten anvisierte Regierungskontrolle über die Justiz als prinzipienfester Verteidiger des Rechtsstaats erweisen. Den verfassungsrechtlichen Begrenzungen seines Amts blieb sich der hochgewachsene Landesvater im Gegensatz zu seinem Vorgänger TraianBasescu allerdings stets bewusst. Mit diplomatischem Geschick vermied es Johannis, eine Suspendierung oder die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens durch die regierende PSD zu provozieren.

Die sozialdemokratische Partei wirft Johannis seine angeblich zu große Einmischung ins politische Alltagsgeschäft vor. Manche Oppositionspolitiker klagen wiederum, dass der spröde Pragmatiker sich zu zögerlich der von den regierenden Sozialisten versuchten Aushebelung der Gewaltenteilung entgegengestellt habe - ein Vorwurf, den Pîrvulescu für unberechtigt hält: „Wenn Johannis offensiver gegenüber der sozialdemokratischen Partei aufgetreten wäre, hätte diese alle Möglichkeiten gehabt, ihn suspendieren zu lassen.“

Als erster Präsident in der jüngeren Geschichte Rumäniens habe Johannis fast die gesamte Amtszeit „ohne eine Regierung seiner eigenen Wahl“ amtiert: „Bei uns ist der Präsident nur stark, wenn er die Unterstützung des Parlaments genießt - und dass war bei Johannis nicht der Fall.“ Johannis habe ein „sehr schweres Mandat“ gehabt, aber trotzdem sei es ihm gelungen, die „Autorität des Präsidentenamts wiederherzustellen“, so Pîrvulescu. Vor fünf Jahren seien es die Stimmen gegen den damaligen PSD-Kandidaten Victor Ponta gewesen, die ihm zum überraschenden Wahltriumph verholfen hätten: „Nun sind es die Stimmen für ihn und seine Politik, die Johannis den Sieg sichern werden.“
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