Seiner Verbitterung über das rote Licht aus Brüssel lässt Nordmazedoniens Premier Zoran Zaev freien Lauf. Er sei „wütend und enttäuscht“, bekannte der Sozialdemokrat nach dem erneuten Aufschub der Entscheidung über die EU-Beitrittsverhandlungen: „Wir hatten unsere Verpflichtungen erfüllt, aber sind zum Opfer eines historischen Fehlers geworden.“ Gleichzeitig kündigte er vorgezogene Neuwahlen an: „Die Bürger müssen nun entscheiden, welchen Weg wir in Zukunft gehen – den europäischen Weg der Reformen oder den Weg, der uns zurück in Isolation, Nationalismus und Konflikte führt.“


Auf Drängen der EU hatte man im Namensstreit mit Griechenland selbst das eigene Land umbenannt, aber den zugesagten Lohn für alle Aussöhnungsmühen nun nicht erhalten: Ernüchtert reagiert im EU-Wartesaal nicht nur Nordmazedonien auf den erneuten Aufschub der Beitrittsverhandlungen, der trotz Erfüllung aller Bedingungen erfolgte.
Der Glaubwürdigkeitsverlust der EU auf dem Westbalkan dürfte mit einem weiteren Erstarken nationalistischer Kräfte, neuen Spannungen und einem größeren Einfluss der EU-Konkurrenten Russland, China und Türkei einhergehen. Nicht die politischen Eliten, sondern die Bürger würden von der EU „bestraft“, so der mazedonische Analyst Ljupco Cvetkovski: „Dadurch geht die letzte Hoffnung verloren, dass sich im Land langfristig etwas zum Positiven ändern wird.“
Nicht nur in Nordmazedonien wittert die Opposition nac

h dem Brüsseler Wortbruch wieder Oberwasser. Albaniens Premier Edi Rama hatte in einer ersten Reaktion zwar beteuert, dass sich der Adria-Staat seinen „europäischen Traum“ nicht nehmen lasse. Doch Arben Kashahu, der außenpolitische Sprecher der oppositionellen DP, macht den Regierungschef für den Fehlschlag in Brüssel verantwortlich. In Albanien und im Kosovo werden mit schwindenden EU-Perspektiven die großalbanischen Kräfte erstarken. In dem vom EU-Zug ohnehin immer weiter abgehängten Bosnien dürften sich die sezessionistischen Zentrifugalkräfte verstärken: Vor allem die Führung des Teilstaats der Republika Srpska pflegt schon seit Jahren mit dem Anschluss an das serbische Mutterland zu liebäugeln – und zu drohen. EU-Anwärter Serbien wiederum kann sich durch Brüssels Tritt auf die Erweiterungsbremse in seinem Schlingerkurs zwischen Ost und West bestärkt fühlen.

Russlands Premier Dmitri Medwedew kündigte am Wochenende in Belgrad die Unterzeichnung des von den EU-Partnern misstrauisch beäugten Freihandelsabkommens zwischen Serbien und der Eurasischen Wirtschaftsunion für den 25. Oktober in Moskau an. Man solle Staaten die Entscheidung zwischen West und Ost „nicht aufdrängen“, erklärte er in einer frenetisch bejubelten Rede in Serbiens Parlament.
Eindringlich fordert die serbische Bürgerrechtlerin Sonja Liht die EU-Partner zur Fortsetzung des Erweiterungsprozesses auf. Dieser diene den Anwärtern nicht zuletzt zum Aufbau der eigenen Staaten.