Nach dem Angriff auf eine Synagoge in Halle an der Saale fordert die deutsche Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) ein konsequentes Vorgehen von Sicherheits- und Justizbehörden. "Antisemitische Straftaten müssen mit aller Konsequenz verfolgt werden", sagte sie der "Welt am Sonntag". "Die Strafgesetze sind vorhanden, sie müssen aber auch konsequent angewandt werden."

Lambrecht hob als positives Beispiel Bayern hervor. Dort habe sich die Staatsanwaltschaft "auf die Fahne geschrieben, dass es bei antisemitischen Straftaten grundsätzlich keine Verfahrenseinstellungen wegen Geringfügigkeit oder geringer Schuld gibt".

Große Sorge

Der Anstieg antisemitischer Taten erfülle sie "mit großer Sorge", sagte die Justizministerin. "Der Terroranschlag in Halle ist dabei nur der traurige Tiefpunkt einer langen Entwicklung." Lambrecht forderte ein klares Zeichen, "dass wir zu einhundert Prozent an der Seite unserer jüdischen Bürger stehen und Antisemitismus in keiner Ausprägung dulden".

In Halle hatte ein bewaffneter Mann am Mittwoch während der Feierlichkeiten zum jüdischen Feiertag Yom Kippur versucht, in die Synagoge einzudringen. Nachdem ihm dies nicht gelang, erschoss er den Ermittlungen zufolge auf offener Straße zwei Menschen und verletzte zwei weitere schwer. Der 27-Jährige sitzt in Untersuchungshaft und hat die Tat gestanden.

SPD-Vizechef Ralf Stegner sprach sich vor dem Hintergrund des Geschehens in Halle für ein Verbot der Identitären Bewegung aus. Es handle sich hier um "Rechtsextremisten, die unsere freiheitliche Verfassungsordnung bekämpfen", sagte Stegner, der sich für den SPD-Vorsitz bewirbt, dem "Handelsblatt". "Deshalb sollte der Bundesinnenminister alle möglichen Schritte für ein Verbotsverfahren einleiten."

Auch der FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle forderte Innenminister Horst Seehofer (CSU) auf, sich mit der Organisation zu befassen. "Die Identitäre Bewegung spielt bei der Unterwanderung bestimmter Subkulturen und Milieus durch Rechtsextreme eine Schlüsselrolle und wird aus diesem Grund zu Recht vom Verfassungsschutz beobachtet", sagte er dem "Handelsblatt". Der Verfolgungsdruck in die rechtsextreme Szene müsse "spürbar" steigen.

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer wiederum hat die rechtspopulistische AfD nach dem tödlichen Anschlag in Halle scharf angegriffen. Diese im Bundestag sitzende Partei sei "der politische Arm des Rechtsradikalismus", sagte Kramp-Karrenbauer am Sonntag auf dem Deutschlandtag der Jungen Union in Saarbrücken. Rechtsradikalismus sei ein wirkliches Problem in Deutschland, sagte die Verteidigungsministerin. Sie äußerte sich auch kritisch zum Niveau der politischen Auseinandersetzung: "Wir dürfen uns nicht daran gewöhnen, dass Tag für Tag in der politischen Debatte wirklich ein Tabu nach dem anderen gebrochen wird", sagte Kramp-Karrenbauer.