Zwei Monate nach Ausbruch der Proteste gegen die Regierung wegen eines geplanten Auslieferungsgesetzes wollen Tausende Hongkonger am Montag ihre Arbeit niederlegen. Der Streik soll die "starke Unzufriedenheit der Hongkonger Bürger mit der politischen Ungerechtigkeit auszudrücken", hieß es am Sonntag in einer Mitteilung eines Bündnisses, das zu der Aktion aufgerufen hatte.

Derweil kam es am Wochenende erneut zu Protesten, bei denen die Polizei Tränengas einsetzte. Am Sonntag zogen Tausende Demonstranten bei friedlichen Protestmärschen durch die Stadt. Später am Abend errichteten Protestler Barrikaden und blockierten Straßen. Die Polizei setzte Tränengas ein. Bereits am Samstag hatten Sicherheitskräfte Tränengas auf die vorwiegend schwarz gekleidete Demonstranten abgefeuert, die zu Zehntausenden zusammenkamen.

Die Polizei nahm nach Angaben vom Sonntag mehr als 20 Teilnehmer fest wegen diverser Vergehen, darunter Körperverletzung und unrechtmäßige Versammlung. Bei ähnlichen Ausschreitungen am Samstagabend wurde eine Polizeistation nach einem Marsch von Protestierenden umstellt und mit Steinen und anderen Gegenständen beworfen. An mehreren Stellen wurde auf Straßen Feuer gelegt. Am Hafen entfernten Protestler eine chinesische Flagge von einem Fahnenmast und warfen sie ins Wasser. Die Zentralregierung in Peking und das Verbindungsbüro der chinesischen Regierung in Hongkong verurteilten die Aktion scharf.

Bei Ausschreitungen in den vergangenen Wochen gab es Dutzende Verletzte. Bisher wurden 44 Demonstranten wegen Randale angeklagt. Auch am Samstag kam es zu 20 neuen Festnahmen.

An dem geplanten Ausstand am Montag wollen sich mindestens 14.000 Menschen aus 20 Sektoren beteiligen, wie die Hongkonger Zeitung "South China Morning Post" berichtete. Ausgangspunkt der Proteste war ein Gesetzentwurf zur Auslieferung mutmaßlicher Krimineller an China; inzwischen richtet sich der Unmut der Menschen gegen die Polizeigewalt bei Protesten.

Unter anderem Mitarbeiter der Verkehrsbetriebe, Sozialarbeiter, Erzieher, Angestellte in der Finanzbranche und von Fluggesellschaften wollen demnach die Arbeit niederlegen und sich in acht Bezirken der Stadt an Protestaktionen beteiligen. Auch zahlreiche Cafés und Geschäfte sollen am Montag geschlossen bleiben.

"Ich bin eher besorgt als hoffnungsvoll", sagte die 22-jährige Demonstrantin Florence Tung am Sonntag. "Egal, was wir Bürger tun, es scheint, als könnten wir die Regierung nicht ändern."

Beobachter sehen in den Protesten die schwerste politische Krise Hongkongs seit der Rückgabe an China vor 22 Jahren. Auch in der neunten Woche der Proteste gibt es keine Anzeichen, dass sich die Bewegung abschwächt. Die Zentralregierung in Peking hat die Ausschreitungen mehrfach scharf verurteilt und die Regierung und die Polizei vor Ort aufgefordert, wieder Ordnung herzustellen.

Auch der Chef der chinesischen Streitkräfte in Hongkong verurteilte in dieser Woche erstmals die andauernden Ausschreitungen. Die Unruhen hätten das Leben und die Sicherheit der Menschen ernsthaft bedroht und sollten nicht toleriert werden, sagte Chen Daoxiang.

Chinas amtliche Nachrichtenagentur Xinhua warnte, dass die "Zentralregierung nicht tatenlos zusehen wird und diese Situation weiter anhalten lässt. Wir sind fest davon überzeugt, dass Hongkong in der Lage sein wird, die vor uns liegenden Schwierigkeiten und Herausforderungen zu bewältigen."

Zeitgleich zu den Protesten der Regierungsgegner versammelten sich am Samstag in einem anderen Teil der Stadt Tausende Gegendemonstranten, die sich hinter die Arbeit der Hongkonger Polizei stellten. "Wir sind das echte Volk von Hongkong, die nichts mit den Schlägern in schwarzen Hemden zu tun haben", rief der pro-chinesische Abgeordnete Junius Ho der Menschenmenge zu.

In der Finanzmetropole gibt es seit fast zwei Monaten zu Kundgebungen mit Hunderttausenden Teilnehmern. Wiederholt kam es zu schweren Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei. Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam hat das Gesetz zur Auslieferung mutmaßlicher Krimineller an China, das den Anlass für die Proteste gegeben hatte, mittlerweile zwar für "tot" erklärt. Die Proteste haben sich aber zu einer breiteren Bewegung gegen die Regierung und das harte Vorgehen der Polizei entwickelt.