Es sind entscheidende Tage für die italienische Regierung in Rom. Am Montag setzte Ministerpräsident Giuseppe Conte den zerstrittenen Koalitionspartnern von Fünf-Sterne-Bewegung und Lega ein Ultimatum. Er werde zurücktreten, sollten sich die Streithähne nicht bald wieder auf eine konstruktive Zusammenarbeit einigen. Und dann wird am heutigen Mittwoch im Finanzministerium auch noch ein Brief der EU-Kommission aus Brüssel erwartet. Darin geht es um die Einleitung eines Verfahrens wegen Verstoß gegen die EU-Staatsdefizitregeln. Brüssel zufolge verstößt die Regierung Conte gegen die Kriterien zur Neuverschuldung. Das drohende Defizitverfahren mit Strafen in Milliardenhöhe macht die Lage zusätzlich explosiv.

Regierungschef Conte geriert sich nun als der Mann, der die brüchige Allianz zusammenhalten will. Vor Tagen noch beschuldigten ihn Politiker der Lega, parteiisch zu sein. Mit seinem Auftritt wollte Conte auch diese Anschuldigung entkräften. Der offiziell parteilose, aber der Fünf-Sterne-Bewegung nahestehende Jus-Professor hat sich in der seit einem Jahr bestehenden Populisten-Regierung als Verhandler mit der EU und als Moderator zwischen den beiden Streithähnen und Vize-Regierungschefs Ansehen erworben. So knapp vor einem Koalitionsbruch stand die Populisten-Regierung in Rom allerdings nie.

Sterne-Chef und Arbeitsminister Luigi Di Maio sowie Lega-Chef und Innenminister Matteo Salvini liegen schon seit Wochen wegen des EU-Wahlkampfs übers Kreuz und beschuldigen sich gegenseitig. Kabinettsmitglieder lästern öffentlich über ihre Regierungskollegen, von einer wirksamen Zusammenarbeit kann derzeit kaum die Rede sein.
Das Ergebnis der EU-Wahl hat die Lage zusätzlich verschärft, weil es die Machtverhältnisse geradezu umkehrte. Die Lega kam bei der Europawahl auf 34 Prozent der Stimmen, die Sterne erreichten dagegen nur 17 Prozent. Bei der Parlamentswahl 2018 war es in etwa umgekehrt. Im Parlament und in der Regierung sind die Fünf Sterne nach wie vor stärker als die Lega vertreten.

Ultimatum an die eigene Regierung

Angesichts der Streitigkeiten sagte Ministerpräsident Conte am Montag: „Ich fordere beide politischen Kräfte dazu auf, eine Entscheidung zu fällen und mir zu sagen, ob sie die Absicht haben, die Pflichten der Regierung weiter zu erfüllen.“ Falls nicht, werde er sein Mandat niederlegen. Tatsächlich gibt es in beiden Parteien starke Fraktionen, die ein Ende der Regierungsallianz befürworten. Bei den Fünf Sternen sitzt der Schock über das Wahlergebnis immer noch tief. Der ausgeprägte linke Flügel der Partei hat schon seit Langem Probleme mit der drastischen Anti-Immigrationspolitik von Innenminister Salvini und befürwortet ein Ende der Allianz.

Die Lega hingegen versucht, den Rückenwind durch die Europawahl politisch auszunutzen, und drängt auf rasche Verwirklichung ihrer Wahlversprechen. Dazu zählen vor allem für die Sterne schwer verdauliche wirtschaftspolitische Pläne wie die Beschleunigung von Infrastrukturprojekten oder die Einführung eines geringen Sammelsteuersatzes.

Lega-Chef Salvini nannte nun seinerseits ein Ultimatum. „Bis Ende Juni werden wir sehen“, sagte der Innenminister dem „Corriere della Sera“. „Bis Ende Juni wird es keine Zweifel mehr an dem Willen von irgendjemandem geben. Ich für meinen Teil habe nie daran gedacht, die Regierung zu Fall zu bringen. Aber ich wiederhole: Es kommt auf die Taten an.“

Auch Salvini muss die verschiedenen Stoßrichtungen seiner Partei koordinieren. In der Lega spekuliert der unternehmerfreundliche, dem Wählerstamm im Norden verbundene Flügel auf Neuwahlen in der Hoffnung, anschließend ein Rechts-Bündnis mit konservativen Kleinparteien zu bilden. Am Montagabend forderte dem Vernehmen nach eine Reihe von Staatssekretären der Lega, zur Beschleunigung die Prozeduren der Vergabe öffentlicher Aufträge für zwei Jahre aufzuheben.

Für die Fünf-Sterne-Bewegung, die sich als Hüterin der Legalität inszeniert, kam das einer Provokation gleich. Mit dem drohenden Defizitverfahren steht nun die nächste Bewährungsprobe für die wackelige Koalition im Raum. Lega-Chef Salvini kündigte bereits mehrfach an, die Vorgaben aus Brüssel ignorieren zu wollen, er sieht sich darin durch den Wählerzuspruch bestärkt. Premierminister Conte hingegen drängt auf die Einhaltung der bestehenden EU-Regeln. Ob die Populisten-Regierung aus diesen Dilemmata noch einen Ausweg finden kann, ist derzeit eher unwahrscheinlich.