Sie war angetreten, die am Boden liegende SPD wieder aufzurichten. Doch nach nur 13 Monaten im Amt steht Andrea Nahles, die erste Frau an der Spitze der deutsche Sozialdemokraten, vor einem Trümmerhaufen. Der Absturz bei der Europawahl und das Ende der SPD-Vorherrschaft in Bremen belasten die Partei- und Fraktionsvorsitzende schwer. Nahles sucht nun die Entscheidung.

Dabei sollte doch alles besser werden. Als Nahles im April 2018 Parteivorsitzende wird, hat die SPD nach langen und harten internen Debatten erneut ein Bündnis mit der CDU geschlossen. Die Bundestagswahl ein halbes Jahr zuvor hatte mit dem bis dato schlechtesten Nachkriegsergebnis der SPD geendet. Postengerangel nach der Entscheidung für die erneute "Groko" trübten die Stimmung weiter.

Logische Wahl

In dieser Lage scheint Nahles eine logische Wahl. Als damals 47 Jahre alte Frau verkörpert sie das Frische und Neue, zugleich ist sie ein SPD-Gewächs mit vielen Kontakten und Erfahrung beim Organisieren von Mehrheiten. Und noch dazu eine Kämpfernatur.

Ihre Karriere begann die Literaturwissenschaftlerin aus der Eifel bei den Jusos, deren Vorsitzende sie von 1995 bis 1999 war. Schnell erwarb sie sich den Ruf einer geschickten Strippenzieherin: Sie war 1995 maßgeblich beteiligt am Sturz des SPD-Vorsitzenden Rudolf Scharping. 1998 zog Nahles erstmals in den Bundestag ein.

Kampfabstimmung gewonnen

2005 die nächste gewagte Aktion: Als SPD-Chef Franz Müntefering seinen Vertrauten Kajo Wasserhövel als Generalsekretär installieren wollte, ging Nahles als Gegenkandidatin in eine Kampfabstimmung und setzte sich im Parteivorstand durch. Müntefering zog sich daraufhin vom Vorsitz zurück. Nahles trat den Posten dann aber doch nicht an.

Ihr Paukenschlag vom Montagabend erinnert an diese Episode: Wenn es hart auf hart kommt, scheut Nahles keine Konflikte. Nach der SPD-Wahlniederlage von 2009 wurde sie schließlich doch Generalsekretärin - an der Seite des neuen Parteichefs Sigmar Gabriel.

Absage an Hartz IV

In der 2013 gebildeten Großen Koalition wurde Nahles Arbeitsministerin, in ihre Amtszeit fiel etwa die Einführung des Mindestlohns. Nach der enttäuschenden Bundestagswahl 2017 verließ sie das Ministerium und wurde Fraktionsvorsitzende.

Als Partei- wie Fraktionschefin versuchte Nahles seither unermüdlich, die SPD wieder auf die Beine zu bringen. Mit einer Distanzierung vom Hartz-IV-System und einer großen Sozialstaats-Offensive bemühte sich die Parteispitze um eine Schärfung des Profils, blieb hart im Dauerzoff um die geplante Grundrente. Beim letzten Koalitionsgipfel vor dem Wahlsonntag setzen die Sozialdemokraten Verbesserungen für Paketboten durch.

Schulz hält sich in Reserve

Doch es hat bisher alles nichts geholfen. Nahles will weitermachen, will es doch noch schaffen, die Talsohle zu durchschreiten. Jedoch mehrten sich die Stimmen, dass es nach dem neuesten Wahldebakel auch personelle Konsequenzen geben muss.

Für den Fraktionsvorsitz kursieren dabei anders als für die Parteispitze bereits Namen möglicher Nahles-Nachfolger. So soll Ex-Parteichef Martin Schulz an dem Posten interessiert sein. Er müsste sich nach Nahles' Kampfansage nun aus der Deckung wagen.