International herrscht Aufregung über den Fall Kashoggi: Dass der Kritiker des saudi-arabischen Regimes in der Botschaft des Landes in Istanbul ermordet, zerstückelt, im Teppich aus der Botschaft hinausgetragen und einem "lokalen Helfer" übergeben wurde, bezeichnet US-Präsident Donald Trump als "die schlechteste Vertuschungsaktion der Geschichte".

International ist man entsetzt über die Mischung aus Brutalität und Stümperhaftigkeit, die das Land, das zuletzt mit der Fahrerlaubnis für Frauen versucht hatte, sich einen liberaleren Anstrich zu geben, optisch zurück in finsterste Zeiten katapultierte. Die USA kündigten erste Strafmaßnahmen an, Tätern werde das Visum entzogen. Nona, möchte man sagen.

Die EU ist auch entsetzt. Die Abgeordneten forderten die Einstellung der Waffengeschäfte mit Saudi-Arabien. Wer's glaubt, wird selig.

Saudi-Arabien und sein KronprinzMohammed bin Salman, von vielen nur MBS genannt, sind ein zentraler Faktor für Politik und Wirtschaft.

Das Öl und die Iran-Sanktionen

Am 5. November tritt die nächste Stufe der Iran-Sanktionen in Kraft. Kein Land der Welt darf dann mehr Iran-Öl kaufen, ohne eine "Bestrafung" durch die USA zu riskieren. Die USA drängen den Iran in die politische und wirtschaftliche Isolation, zwei Millionen Barrel iranisches Öl pro Tag sollen vom Markt genommen werden. Die Folgen: Eine Benzinpreisexplosion für den Rest der Welt. Wer das verhindern kann: Die Saudis, die den USA zugesagt haben, mit Ersatzlieferungen in die Bresche zu springen. Basis des Pakts sind enge - auch geschäftliche Beziehungen von Trump-Schwiegersohn Jared Kushner mit Muhammed bin Salman. Kushner managt die US-Politik im Nahen und Mittleren Osten.

Der Anker der USA im Nahen Osten

Die Saudis spielen außerdem eine zentrale Rolle in den Bemühungen der USA, im Nahen Osten endlich Frieden zwischen Israelis und Palästinensern zu stiften, und zwar unter Mißachtung der Bedürfnisse der Palästinenser. Saudi-Arabien ist als Schutzmacht dieses Friedens vorgesehen. Das sunnitische Saudi-Arabien ringt mit dem schiitischen Iran um die politische Vorherrschaft im Nahen Osten und der Golfregion.

Die historischen Zusammenhänge des US-Engagements mit dem Entstehen des IS einerseits und der aktuellen politischen Lage im Nahen Osten andererseits, mit der Polarisierung zwischen sunnitisch geprägtem Saudi-Arabien und schiitischem Iran, wie alles mit allem zusammenhängt, beschreibt der Nahostexperte Michael Lüders in seinem Buch "Wer den Wind sät - was westliche Politik im Orient anrichtet".

Mohammed bin Salmans Wort als wahabistischer Herrscher ist in Saudi-Arabien Gesetz, es ist unvorstellbar dass ein geschehen wie jenes in der Botschaft in Istanbul ohne sein Wissen stattfindet, und es gibt zahlreiche Spuren in seine unmittelbare Umgebung.

Die Waffen und das Geld

Dennoch werden die Muskelspiele der Politik eine Drohgebärde bleiben. Politisch braucht man Saudi-Arabien als Mitspieler. Wirtschaftlich hängt man an seinem Geld. Ein 110-Milliarden-Rüstungsgeschäft mit Saudi-Arabien haben die USA soeben abgeschlossen. 10Prozent der gesamten US-Rüstungsexporte gehen nach Saudi-Arabien. Millionen-Geschäfte machen Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Deutschland hat eine Unterbrechung der Waffenexporte angekündigt, aber auch das wird nur von kurzer Dauer sein - oder die Waffen finden ihren Weg über andere Länder nach Saudi-Arabien. 35.000 Pistolen soll übrigens auch die österreichische Firma Glogg schon in das Land exportiert haben.

Wer sich dem Kronprinzen entgegenstellt, wird vernichtet. Übrigens auch im Ausland. Den libanesischen Premierminister Saad Hariri hatte Mohammed bin Salman im November 2017 schlicht in seinem Land festhalten lassen und zum Rücktritt gezwungen. Von dem er später allerdings wieder zurücktrat. Den deutschen seinerzeitigen Außenminister Sigmar Gabriel , der das kritisiert hatte, hatte er im Dezember vorigen jahres mit dem Einfrieren aller deutschen Wirtschaftsbeziehungen zu Saudi-Arabien bestraft. Im August diesen Jahres hatte er die Wirtschaftsbeziehungen zu Kanada abgebrochen, weil die kanadische Außenministerin kritisiert hatte, dass Frauenrechtlerinnen im Gefängnis sitzen.

Die Macht und das Geld regieren die Welt. Daran wird auch die Leiche im Teppich nichts ändern.