Heute werden Kataloniens Unabhängigkeitsbefürworter wieder zu Hunderttausenden die Straßen der katalanischen Mittelmeermetropole Barcelona füllen. Schon seit über sechs Jahren vereinen separatistische Bürgerbewegungen an jedem 11. September bis zu eine Million Menschen, um für die Loslösung der Region von Spanien und das Recht auf Selbstbestimmung zu protestieren.

Auch heute werden mindestens eine Million Menschen erwartet. Der Protestmarsch-Veranstalter erklärte, die separatistische Bürgerplattform ANC, dass sich bereits 400.000 Personen eingeschrieben haben. Fast 1.400 Busse wurden gechartert, um Tausende Unabhängigkeitsbefürworter aus den ländlichen Regionen nach Barcelona zu bringen. Das Motto wird "Fem la Republica" lauten - "Machen wir die Republik". Damit wollen die Veranstalter klarstellen, dass endlich das Mandat umgesetzt werden muss, welches die Katalanen der Regionalregierung vor einem Jahr gaben.

Verbotenes Referendum

Bei einem illegalen und vom Verfassungsgericht zuvor verbotenen Unabhängigkeitsreferendum sprachen sich am 1. Oktober vergangenen Jahres rund 90 Prozent der Abstimmungsteilnehmer für die Errichtung einer eigenstaatlichen katalanischen Republik aus. Doch nur knapp 42 Prozent der 5,3 Millionen stimmberechtigten Katalanen nahm überhaupt an dem Referendum teil.

Das Referendum wurde von harten Polizeieinsätzen überschattet. Die Verfassungsrichter hatten der Polizei den Auftrag erteilt, das Referendum zu unterbinden. Als der damalige katalanische Ministerpräsident Carles Puigdemont wenige Tage darauf die Schaffung eines eigenen Staates ankündigte, wurde seine separatistische Regionalregierung von Madrid aus abgesetzt und die Region monatelang unter die Zwangsverwaltung der spanischen Zentralregierung gestellt.

Haft

Zahlreiche Mitglieder der damaligen Regionalregierung befinden sich heute wegen Rebellion in Untersuchungshaft. Andere wie Carles Puigdemont flüchteten vor der spanischen Justiz ins europäische Ausland. So wird der Protestmarsch am Dienstag unteranderem auch die sofortige Freilassung der "politischen Gefangenen" fordern. Die separatistischen Massenproteste finden traditionell am 11. September statt, dem katalanischen Nationalfeiertag. Am 11. September 1714 unterlag die Region im Zuge der Spanischen Erbfolgekriege den französisch-spanischen Truppen des Bourbonen-Königs Philipp V. Kataloniens Adelige hatten sich auf die Seite des Habsburgers Karl VI. geschlagen. 15 Monate wurde Barcelona belagert. Am 11. September fiel die Stadt und Katalonien wurde ins spanische Königreich eingegliedert, verlor seine Selbstverwaltung.

Unabhängigkeitskampf

Obwohl Katalonien niemals ein unabhängiges Königreich war, haben die Separatisten diesen Tag zum Symbol ihres Unabhängigkeitskampfes gemacht. So wird es am Dienstag der Protestmarsch zwischen Glories und dem Palau Reial um 17.14 Uhr mit einem 3-minütigen Schweigemoment beginnen. Der Marsch wird allerdings nur ein Auftakt zu einer ganzen Serie von Protesten sein. Bis zum 3. Oktober wollen selbst ernannte "Komitees zur Verteidigung der Republik" in ganz Katalonien Protestaktionen und sogar Straßensperren errichten.

Sitzproteste in Barcelona

In Barcelona wollen sie nach dem Vorbild der Taxi-Proteste vom Juli sämtliche Zufahrtsstraßen nach Barcelona und zum internationalen Flughafen mit Sitzprotesten und Autos absperren. Bewusst wurde für das Ende der Protestserie der 3. Oktober gewählt. An jenem Tag verurteilte Spaniens König Felipe vor genau einem Jahr die Abhaltung des Unabhängigkeitsreferendums und brachte damit viele Katalanen gegen sich auf.

Eine baldige Lösung des Katalonien-Konflikts ist unterdessen kaum in Sicht. Zwar stellte Spaniens neuer und dialogbereiterer Ministerpräsident Pedro Sanchez Katalonien ein Referendum über mehr Autonomie in Aussicht. "Doch vor allem nach den Ereignissen desletzten Jahres geben sich Kataloniens Separatisten damit nicht mehr zufrieden. Dieser Zug ist definitiv abgefahren", erklärt Politologe Oriol Bartomeus im Gespräch mit der APA.

Kataloniens ebenfalls erst seit einigen Monaten im Amt befindlicher Ministerpräsident Quim Torra ließ dies bezüglich auch keine Zweifel gelten. Die einzige Option sei ein "Referendum über die Selbstbestimmung". Am Montag kündigte er zudem an, noch vor dem 1. Oktober eine "Exilregierung" unter Carles Puigdemont ins Leben zu rufen. Torra sah sich immer als Platzhalter für den "legitimen President" Puigdemont an, der jedoch wegen Rebellion gesucht wird und bei seiner Rückkehr auf spanischen Boden sofort verhaftet werden würde.

Torra schließt auch Neuwahlen nicht aus, sollte es bei den Verhandlungen mit Madrid nichtweitergehen. Bei denen würden die separatistischen Parteien laut einer Umfrage von El Espanol (Montagsausgabe) erneut eine knappe Parlamentsmehrheit von 49 Prozent erreichen. Die verfassungsfreundlichen Parteien der Liberalen (Ciudadanos), Sozialisten (PSC) und Konservativen (PPC) könnten auf 42 Prozentkommen. Stärkste Partei im Separatistenlager würde jedoch nicht Puigdemonts Parteienallianz Junts per Catalunya werden, sondern die separatistischen Linksrepublikaner der ERC. Der inhaftierte ERC-Chef Oriol Junqueras sprach sich bereits offen dafür aus, nicht erneut eine einseitig beschlossene Loslösung der Region zu unterstützen.