Bundespräsident Alexander Van der Bellen warnt vor einem "Brexit" ohne Abkommen. Dieser wäre für das Vereinigte Königreich Großbritannien wirtschaftlich gesehen ein "Worst case-Szenario", sagte Van der Bellen am Samstag bei der Eröffnung der Politischen Gespräche beim Forum Alpbach, die heuer unter dem Motto Diversität und Resilienz stehen.

Die Europäische Union werde den Brexit meistern, so der Bundespräsident. "Die EU wird am Brexit nicht zerbrechen. Davon bin ich überzeugt. Der Brexit hat den Zusammenhalt der EU-27 vorübergehend sogar gestärkt. Und wenn die Befürchtungen eintreffen, dass der EU-Austritt dem Vereinigten Königreich wirtschaftlich sehr schaden wird, dann wird sich jeder der verbliebenen EU-27 davor hüten, in eine ähnliche Situation zu geraten." Nichtsdestotrotz hofft Van der Bellen, dass es zu einer Verhandlungslösung zwischen Großbritannien und der EU kommt.

"Spaltungsversuche von außen"

Die Fähigkeit, Krisen zu bewältigen, so Van der Bellen in Bezug auf das Thema Resilienz, brauche die EU aber auch bei anderen Herausforderungen. Der Bundespräsident nannte etwa die Migrationsfrage, die er allerdings im Gegensatz zu anderen nicht für die größte Herausforderung halte, den schwindenden Zusammenhalt in Europa, das Wiederaufflammen von nationalistischen Tendenzen oder den mögliche Bedeutungsverlust Europas im Verhältnis zu den Mächten USA, Russland und China.

"Die EU ist auch Störungen ausgesetzt, Spaltungsversuchen von außen. Für den Nachbarn jenseits des Atlantiks, der das unlängst wieder versucht hat, aber auch für den Nachbarn an der östlichen EU-Außengrenze kann es vorteilhaft sein, die EU auseinanderzudividieren. Sie können ihre eigene Macht stärken, während Europa an Bedeutung verliert", so Van der Bellen in Anspielung auf den USA-EU-Handelsstreit und die politischen Aktivitäten Russlands. Es brauche daher ein gemeinsames Vorgehen der EU und keinen Rückfall in die "Zwergstaaterei".

"Es gibt keinen Plan B, weil es keinen Planeten B gibt"

Weiters forderte der ehemalige Grüne entschiedenes Handeln gegen den Klimawandel. "Unsere Generation ist wahrscheinlich die letzte, in deren Händen es liegt, wirksame Maßnahmen gegen die Erderhitzung auf den Weg zu bringen. Die Erderhitzung beeinträchtigt die weltweite Wirtschaftsentwicklung, sie bedroht Landwirtschaft, Tourismus, Wasser- und Energieversorgung und damit letztlich Frieden, Sicherheit, sozialen Zusammenhalt und Wohlstand von uns allen. Unser Planet ist an seiner Belastungsgrenze oder hat diese, wie manche Forschungsberichte nahelegen, bereits überschritten", meinte Van der Bellen, der mit dem Zug nach Tirol angereist war, angesichts der jüngsten Hitzewellen. "Die Erde wird ohne gravierende Maßnahmen nicht von alleine in den Ausgangszustand zurückkehren. Wir müssen sofort und tatkräftig das Unsere dazu beitragen."

Die Notwendigkeit von Klimaschutz und Nachhaltigkeit betonte in Alpbach auch der frühere UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon. "Es gibt keinen Plan B, weil es keinen Planeten B gibt", so der Diplomat.

EUROPÄISCHES FORUM ALPBACH 2018: PLATTER / VAN DER BELLEN / THACI / BAN KI-MOON
EUROPÄISCHES FORUM ALPBACH 2018: PLATTER / VAN DER BELLEN / THACI / BAN KI-MOON © (c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)

Forum Alpbach-Präsident Franz Fischler plädierte im Zusammenhang mit dem Konferenzthema für zentrale europäische Werte wie Solidarität, Rechtsstaatlichkeit, Nachhaltigkeit und Demokratie. Die Gesellschaft werde immer verletzlicher gegenüber Angriffen von innen und außen. Populistische Strömungen seien auf dem Vormarsch. "Im digitalen Zeitalter spielt die Weltpolitik auf Twitter, während Trollarmeen Fake News auf allen Online-Kanälen verbreiten. Dies stellt die liberale Demokratie vor bisher nicht gesehene Bedrohungen", so Fischler.

Terroristische und digitale Bedrohungen

Die Extremismusexpertin Julia Ebner wies in ihrer Keynote zur Eröffnung der Politischen Gespräche in Alpbach auf terroristische und digitale Bedrohungen durch Extremisten hin. Sie habe in den vergangenen Jahren beobachtet, wie extremistische Bewegungen Terroranschläge koordinierten, Desinformationskampagnen starteten, Einschüchterungskampagnen durchführten und ihren Anhängern Hackerkompetenzen beibrachten. Die Jihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) plante demnach Cyberangriffe auf Infrastruktur, die in den USA beheimatete rechtsextreme Alt-Right die tödliche Charlottesville-Rallye, deutsche Trolle koordinierten Online-Angriffe auf Politiker und italienische Neofaschisten führten Infooperationen durch, um die jüngsten Wahlen zu beeinflussen. "In der heutigen Welt ist keine Wahl immun gegen ausländische Einmischung und buchstäblich jeder mit einem elektronischen Gerät kann zum Ziel eines Cyberangriffs werden." Ebner fordert deshalb ständige Wachsamkeit zum Schutz der demokratischen Kultur.