Der AfD-Vorsitzende im deutschen Bundesland Thüringen, Björn Höcke, hat mit Äußerungen zum Berliner Holocaustmahnmal und der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit für Entsetzen und Empörung gesorgt. Politiker aller Parteien reagierten am Mittwoch fassungslos und sprachen unter anderem von einer "Hetzrede". Die Vorsitzenden der Linksfraktion stellten Strafanzeige wegen Volksverhetzung. Höcke hatte offensichtlich unter Anspielung auf das Holocaustmahnmal in Berlin von einem "Denkmal der Schande" gesprochen.

"Wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat", sagte Höcke offensichtlich mit Blick auf das Mahnmal am Dienstagabend bei einer Veranstaltung in Dresden. In einem im Internet kursierenden Video sprach er zudem von einer "dämlichen Bewältigungspolitik" und forderte eine "erinnerungspolitische Wende um 180 Grad".

Statt die nachwachsenden Generationen "mit den großen Wohltätern, den bekannten, weltbewegenden Philosophen, den Musikern, den genialen Entdeckern und Erfindern in Berührung" zu bringen, werde die deutsche Geschichte "mies und lächerlich" gemacht, sagte der AfD-Politiker.

SPD-Chef Sigmar Gabriel zeigte sich entsetzt. Ihm sei es "kalt den Rücken runtergelaufen", als er sich die Rede im Internet angesehen habe, schrieb Gabriel auf Facebook. "Nie, niemals dürfen wir die Demagogie eines Björn Höcke unwidersprochen lassen", forderte der Vizekanzler. SPD-Vizechef Ralf Stegner sprach im Kurzbotschaftendienst Twitter von einer "Hetzrede".

CDU-Vizechefin Julia Klöckner nannte die Äußerungen "menschenverachtend, geschichtsvergessen". Sie atmeten "den Geist rechtsradikaler Hetze", erklärte die rheinland-pfälzische CDU-Landesvorsitzende. Die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung", Höcke habe das Mahnmal "mit Worten geschändet". Das sei "beschämend" und "menschenverachtend".

Die Grünen-Vorsitzende Simone Peter nannte die Äußerungen bei Twitter "unsäglich". Die Vorsitzenden der Linksfraktion, Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch, stellten nach Angaben der Fraktion Strafanzeige. Der Satz Höckes zum Holocaustmahnmal sei "nicht nur geschichtlich und politisch widerlich", das sei "schlicht Nazi-Diktion".

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, nannte die Äußerungen "zutiefst empörend und völlig inakzeptabel". Damit trete Höcke "das Andenken an die sechs Millionen ermordeten Juden mit Füßen". Die AfD zeige "mit diesen antisemitischen und in höchstem Maße menschenfeindlichen Worten ihr wahres Gesicht".

Der israelische Botschafter in Deutschland, Yakov Hadas-Handelsman, forderte eine Entschuldigung von Höcke. "Solche Äußerungen dürfen keinen Platz haben in einem demokratischen Deutschland", sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Eine Entschuldigung bei allen Opfern des Nationalsozialismus wäre "angebracht".

Der Generalsekretär des Europarats, Thorbjörn Jagland, hat die Äußerungen des Thüringer AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke zum Umgang der Deutschen mit dem Holocaust scharf kritisiert. Das Erinnern an den Holocaust sei "wesentlich für das europäische Einvernehmen, dass dies nie wieder geschehen darf", sagte der Norweger. Unsere gemeinsame Erinnerungskultur infrage zu stellen, sei "skandalös und gefährlich". Es sei nicht das erste Mal, dass die AfD eine "verletzende und alarmierende Sprache" spreche, fügte Jagland hinzu.

Höcke reagierte mit Unverständnis auf die Debatte und kritisierte die Berichterstattung. Die Auslegung, dass er das Holocaustgedenken der Deutschen kritisiert habe, sei eine "bösartige und bewusst verleumdende Interpretation", erklärte Höcke. Er habe mit seiner Äußerung den Holocaust, "also den von Deutschen verübten Völkermord an den Juden, als Schande für unser Volk bezeichnet".

Die Deutschen müssten sich der "immensen Schuld" bewusst sein, erklärte der AfD-Politiker. Zugleich hob er hervor, diese sei "eben nur ein Teil unserer Geschichte". Darauf habe er in seiner Rede hingewiesen.

Die AfD-Chefin Frauke Petry sagte der rechten Wochenzeitung "Junge Freiheit": "Es bestätigt sich, was ich schon vor einem Jahr sagte. Björn Höcke ist mit seinen Alleingängen und ständigen Querschüssen zu einer Belastung für die Partei geworden." Die AfD müsse sich nach ihren Worten nun entscheiden, ob sie den Weg der Republikaner gehen wolle oder den anderer erfolgreicher Parteien wie der FPÖ. "Wir werden Realisten sein oder politisch irrelevant werden", sagte Petry. Petrys Ehemann, der nordrhein-westfälische AfD-Vorsitzende Marcus Pretzell, kritisierte Höcke ebenfalls. Er treibe "kluge und kritische bürgerliche Wähler" der AfD zurück in das Lager der Nichtwähler, sagte Pretzell der "Bild". "Zum wiederholten Male drückt sich Björn Höcke sehr missverständlich aus, um es vorsichtig zu formulieren", sagte Pretzell. "Zum wiederholten Male rührt er dabei mit größter Ignoranz an einer 12-jährigen Geschichtsepoche, deren Revision wahrlich nicht die Aufgabe der AfD ist."

Aus der Alternative für Deutschland kommt allerdings nicht nur Widerspruch. Parteivize Alexander Gauland sagte, die Frage tauge nicht zum Skandal.  "Die Frage, ob man das mitten in die deutsche Hauptstadt stellen muss", sei schließlich vor der Errichtung bereits diskutiert worden.