Die Vereinten Nationen sind optimistisch: Die Teilung Zyperns könnte bald überwunden werden. Ein entscheidender Schritt vorwärts könnte kommende Woche getan werden, meinen Vertreter der Vereinten Nationen, die an den Verhandlungen über die drittgrößte Mittelmeerinsel teilnehmen.

Der Moment ist günstig: Zwei gemäßigte Spitzenpolitiker, der konservative griechische Zypriot Nikos Anastasiades und der linksliberale türkische Zypriot Mustafa Akinci, arbeiten seit zweieinhalb Jahren hart an einer Lösung. Und sie sind sich dabei näher gekommen. Von Montag bis Freitag wollen sie nun unter Schirmherrschaft der UN in der Schweiz einen Lösungsvorschlag erarbeiten.

Doch die Sache hat einen Haken: für Brüssel. Denn Zypern ist seit 2004 EU-Mitglied - wenn auch faktisch bisher nur der griechische Teil. Finden Akinci und Anastasiades zusammen, könnte die EU einen föderalen Mitgliedsstaat mit allen seinen Problemen haben. Und indirekt könnte auch Ankara in Brüssel mitreden.

Solange es keine Lösung gibt, gilt das EU-Recht nur im überwiegend griechisch-zypriotischen Süden der Insel, der von der international anerkannten Regierung der Republik Zypern kontrolliert wird. Der türkisch-zypriotische Norden - die Türkische Republik Nordzypern - wird nur von der Türkei anerkannt, die dort Zehntausende Besatzungstruppen unterhält.

Vetorecht

Die angestrebte Lösung: Die seit 1974 geteilte Republik Zypern soll in eine Föderation zweier Bundesstaaten umstrukturiert werden; eines türkisch-zypriotischen im Norden und eines griechisch-zypriotischen im Süden. Wichtigster Punkt: Auf der Bundesebene wird nichts entschieden, wenn nicht beide Teilstaaten einverstanden sind. Darauf haben sich die Zyprioten bereits geeinigt.

Einfluss durch die Hintertür

Die EU könnte damit ein gewaltiges Problem bekommen, wenn die türkischen Zyprioten mit ihrem Vetorecht als Interessensvertreter von Erdogans Türkei aufträten. Die Türkei ist Garantiemacht und soll es nach dem Willen der türkischen Zyprioten auch bleiben. "Nach den Erfahrungen mit der Wallonie und den jüngsten Entwicklungen in der Türkei möchte ich nicht daran denken, was das für die EU bedeuten könnte", sagt ein EU-Diplomat, der lange auf Zypern gedient hat.

Warnendes Beispiel Wallonien

Die belgische Region Wallonien hatte im Oktober wochenlang die mühsam ausgearbeitete Unterzeichnung eines Handelsvertrages der EU mit Kanada (CETA) mit einem Veto innerhalb Belgiens blockiert. Die EU-Krise konnte mit geschickten politischen Bewegungen beigelegt werden.

Diplomatisches Rätsel

Im Falle Zyperns könnte erstmals ein Drittstaat - die Türkei - über ein Veto der türkischen Zyprioten in der EU mitbestimmen. Wie dies institutionell verhindert werden kann, bleibe bisher ein Rätsel, das niemand zu lösen versuche, heißt es aus Diplomatenkreisen in Nikosia. Viele Diplomaten sind sich nicht sicher, ob das Problem in seinem vollen Umfang erkannt ist. Die EU ist bisher nur mit Beobachtern bei den innerzypriotischen Gesprächen vertreten.

Garantiemacht Türkei

Die Lösung ist in Sicht, aber noch nicht in greifbarer Nähe. Eines der Probleme, die noch gelöst werden müssen, ist die Frage der Garantiemächte eines Föderalstaates Zypern. Die türkisch-zypriotische Seite fordert, dass die Türkei Garantiemacht bleibt, wie sie es seit der Gründung des Staates 1960 war. Darauf besteht auch Ankara. Die griechischen Zyprioten lehnen dies strikt ab. Garantiemächte brauche man in der EU nicht mehr, meinen sie.

Alltag & Entfremdung

Auf der Insel geht das Leben seinen Gang. Zyperns Bürger bleiben in Kontakt, aber leben getrennt. Sie fahren regelmäßig auf die jeweils andere Seite der Insel. Zehntausende türkische Zyprioten haben sich bereits Pässe oder Ausweise der international anerkannten Republik Zypern verschafft und können sich damit ungehindert als EU-Bürger weltweit frei bewegen. Diese Kontakte sind ein Hoffnungsschimmer.

Es tritt aber auch eine Entfremdung ein: Die letzten Zyprioten, Türken und Griechen, die als Kinder in den gemischten Dörfern vor der Teilung der Insel auf den Straßen zusammen spielten und die jeweils andere Sprache sprachen, sterben langsam aus.