Benjamin Netanjahu will den Gaza-Streifen einnehmen und das Gebiet anschließend einer arabischen Polizeitruppe überlassen – doch die Araber machen nicht mit. Der neue Plan des Ministerpräsidenten für eine Einnahme von Gaza-Stadt und der anschließenden Besetzung des gesamten Gaza-Streifens verstärkt Israels Isolierung international und im Nahen Osten. Israel-Gegner in der Region sehen sich von der wachsenden Kritik im Westen bestätigt und wollen versuchen, ein internationales Bündnis gegen die israelische Regierung zu schmieden.

Politiker im Nahen Osten werfen Europa und den USA bisher vor, sich bedingungslos an die Seite Israels zu stellen und Gewalt gegen Zivilisten zu beschönigen. Die kritischen Reaktionen europäischer Staaten auf Netanjahus Pläne wurden in der Region deshalb aufmerksam registriert. Im Mittelpunkt stand dabei die Mitteilung Berlins zum Stopp von Waffenlieferungen an Israel. Die Entscheidung sei „riesig“, schrieb die palästinensische Menschenrechtlerin Rasha Abdul-Rahim.

Netanjahu stoppen

Mehrere Staaten dringen auf internationale Initiativen, um Netanjahu zu stoppen. Die Türkei schickt heute ihren Außenminister Hakan Fidan nach Ägypten, um über gemeinsame Bemühungen zur Beendigung des „Völkermords“ zu sprechen. Wichtige arabische Länder hielten sich dagegen zurück. Zum Teil liege das daran, dass die Araber abwarten wollten, ob Israels Armee trotz der innenpolitischen Kritik an Netanjahu tatsächlich in Marsch gesetzt werde, sagt Joe Macaron, Nahost-Experte bei der US-Denkfabrik Wilson Center. „Es wäre nicht das erste Mal, dass das israelische Kabinett etwas beschließt und es dann nicht umsetzt“, sagte Macaron zur Kleinen Zeitung. Eine Eroberung des gesamten Gaza-Streifens durch Israel wäre allerdings ein „Alptraum-Szenario“.

Kurz vor der Entscheidung des israelischen Sicherheitskabinetts zur Einnahme von Gaza-Stadt hatte Netanjahu gesagt, Israel wolle den ganzen Gaza-Streifen besetzen. Israel will nach seinen Worten die Hamas im Gaza-Streifen endgültig vernichten, Sicherheitszonen an den Grenzen zu Israel schaffen und dann das Gebiet wieder verlassen. „Wir wollen es nicht behalten, wir wollen es nicht regieren“, sagte Netanjahu. „Wir wollen es an arabische Truppen übergeben, die es ordentlich regieren, ohne dass wir bedroht werden.“ Netanjahu mache die Rechnung ohne den Wirt, sagen Experten.

Kein Staat wäre dazu bereit

„Es gibt keinen einzigen arabischen Staat, der bereit wäre, nach dem Abzug der israelischen Panzer nach Gaza zu gehen“, sagt Gershon Baskin, israelischer Hamas-Experte und ehemaliger Geisel-Unterhändler. Politiker aus Ägypten, Jordanien und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) hätten ihm persönlich gesagt, dass das überhaupt nicht in Frage komme, sagte Baskin im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. Arabische Staaten seien zwar grundsätzlich zur Entsendung von Truppen nach Gaza bereit. Aber dafür gebe es eine Bedingung: „die Einladung durch eine legitime palästinensische Regierung in Gaza“. Geht es nach Netanjahu, wird es eine solche Regierung nicht geben. Zu den fünf Zielen, die das Sicherheitskabinett für den Gaza-Krieg definierte, zählt die Schaffung einer „alternativen zivilen Verwaltung“ ohne Beteiligung von Hamas oder der palästinensischen Autonomiebehörde. Das läuft auf eine Gaza-Regierung von Israels Gnaden hinaus – und das dürften die arabischen Staaten nicht mitmachen, meint Baskin.

Arabische Länder wie Saudi-Arabien sind Gegner der Hamas und haben nichts dagegen, dass Israel die vom Iran unterstützte Terrorgruppe bekämpft. Die Unterstützung für die Palästinenser ist für sie aber Staatsräson. Deshalb wäre es arabischen Regierungen am liebsten, Israel und die Hamas könnten sich auf eine Waffenruhe und ein Ende der Hamas-Herrschaft über Gaza einigen. Arabische Länder hatten vorige Woche erstmals die Entwaffnung der Terrorgruppe gefordert.