Der Technischen Universität (TU) Wien reicht es. Im Budget für 2023 und 2024 würden durch die Teuerung 175 Millionen Euro fehlen, allein die Energiekosten steigen um geschätzte 90 Millionen, sagt Rektorin Sabine Seidler: "Selbst wenn wir bis 2024 keine einzige Stelle mehr besetzen, können wir das Loch aus eigener Kraft nicht stopfen." Wenn es vom Ministerium nicht mehr Geld gäbe, "dann gibt es 2024 keine TU Wien mehr". Um das zu verhindern, geht sie heute gemeinsam mit Tausenden Studierenden in Wien auf die Straße.

Als Vorsitzende der Universitätenkonferenz (uniko) hatte Seidler zuletzt aufgrund der Teuerung eine Aufstockung des Budgets für alle Universitäten um 1,2 Mrd. Euro bis 2024 gefordert, im Budget ist nur eine Erhöhung um 500 Mio. Euro vorgesehen – zu wenig, um den Betrieb wie bisher aufrechterhalten zu können, klagen die Unis. In ganz Österreich drohen starke Einschränkungen im Universitätsbetrieb, vor allem in den Naturwissenschaften werden kostenintensive Forschung und Lehre schlicht zu teuer, die TU ist daher besonders stark betroffen.

Schon jetzt werden die Universitäten daher kreativ: "Wir frieren an den Arbeitsplätzen, haben nicht einmal warmes Wasser auf den Toiletten", beschreibt Flora Höfler ihre derzeitige Arbeit an der TU. 20 Millionen Euro könnte die TU selbst einsparen, sagt Rektorin Seidler – dafür müsste die Uni aber nicht nur das Thermostat runterdrehen, sondern verstärkt auf Distanzlehre umstellen, Lehrveranstaltungen ausfallen lassen, einen kompletten Einstellungsstopp aussprechen und von Mitte Dezember bis Mitte Jänner komplett zusperren.

Studenten in der Armutsfalle

Es könne nicht sein, dass nach Corona erneut auf die Studierenden vergessen werde, findet Simon Los, Vorsitzender der HochschülerInnenschaft an der TU: "Bitte, Herr Minister, handeln Sie, um unser aller Zukunft zu sichern", fordert er Wissenschaftsminister Martin Polaschek (ÖVP) gemeinsam mit Tausenden Studierenden lautstark auf. Sie fürchten vor allem die bereits angekündigte Rückkehr der Fernlehre.

Denn wenn Studierende nicht auf die Uni gehen dürfen, leiden sie doppelt, erklärt die 23-jährige Architekturstudentin Hannah: Es fehle der direkte Austausch, die Qualität der Lehre sinke stark. Andererseits sei eine geschlossene Uni aber auch ein finanzielles Problem: Ihre WG würde zu Hause nicht heizen, sondern unter Tags auf der Uni lernen und am Abend dicke Kleidung tragen – müssen sie daheim lernen, muss die Heizung aufgedreht werden. "Eigentlich können wir uns das Studium nicht mehr leisten, wenn wir nicht auf die Uni können", sagt ihre Mitbewohnerin Julia.

"Den Studierenden geht es noch schlechter als sonst", immer mehr würden in immer prekärere Lagen rutschen, warnt auch ÖH-Bundesvorsitzende Keya Baier (Gras): "Viele von uns wissen einfach nicht mehr, wie wir uns das Leben leisten sollen." Die Regierung habe genug Zeit zu handeln gehabt, "trotzdem wurde verabsäumt, die Universitäten in der Krise zu unterstützen".

TU sieht kritische Infrastruktur gefährdet

Ein noch düstereres Bild zeichnen die Angestellten der Universität: Durch den wohl notwendigen Einstellungsstopp würden Lehrveranstaltungen ausfallen und Forschungsgruppen aus Personalmangel auseinanderbrechen, warnt der Senatsvorsitzende Norbert Pfeiffer. "Ohne Geld, keine Forschung", fasst es Dekanin Gertrude Kappel zusammen und warnt die Regierung: "Wenn Sie die Unis heute zu Tode sparen, ist der Standort morgen tot."

Während des Ukraine-Krieges nuklear blind zu sein, hält Radioökologie-Professor Steinhauser nicht für die beste Idee
Während des Ukraine-Krieges nuklear blind zu sein, hält Radioökologie-Professor Steinhauser nicht für die beste Idee © APA/EVA MANHART

Auch kritische Infrastruktur wäre durch Sparmaßnahmen gefährdet, sagt Georg Steinhauser, Professor für Radioökologie: Bei einem kollektiven Betriebsurlaub im Dezember und im Jänner werde auch er seine Detektoren abschalten müssen. Österreich erhebe dann nicht mehr, ob sich radioaktive Strahlung über das Land verbreitet – gerade in Zeiten des Ukraine-Krieges sei das besonders gefährlich, sagt der Experte. Werden die Geräte abgedreht, sei man auf die Daten anderer Länder angewiesen, "wenn dann etwas passiert, sind wir einfach blind".

"Wenn wir uns selbst so derartig ins Knie schießen, muss man irgendwann sagen: Es reicht", findet Fabian Posch. Eine technische Universität sei im Betrieb womöglich teurer als eine geisteswissenschaftliche, "aber es ist genauso wichtig, wenn die ganze Wirtschaft darauf beruht, dass wir einen technischen Fortschritt leisten. Dafür brauchen wir einfach finanzielle Mittel".

Zwar habe Wissenschaftsminister Polaschek zuletzt zugesichert, sich um zusätzliche Mittel zu bemühen, meinte TU-Rektorin Seidler, aber: "Es geht nicht darum, sich zu bemühen, sondern darum, Lösungen zu erarbeiten." Erneut forderte sie einen "Krisengipfel". Im Bildungsministerium verwies man auf APA-Anfrage auf die laufenden Gespräche mit der uniko. Änderungen beim anstehenden Budget schloss man dabei erneut aus. Gleichzeitig könnte es aber Entlastungen bei Ausgabenposten wie Miete oder Energie geben – außerdem beobachte man die Lohnverhandlungen und könne gegebenenfalls nach deren Abschluss reagieren.