Laut Meldestelle wurden von Jänner bis Juni 562 Vorfälle jeglicher Art registriert, im Vergleichszeitraum 2020 waren es 257. Die Hintergründe waren zu einem großen Teil Coronapandemie (mit antisemitischen Verschwörungstheorien) und Nahostkonflikt (in Zusammenhang mit israel-bezogenen Übergriffen).

Mehr als die Hälfte der gemeldeten antisemitischen Vorfälle, konkret 331, bezogen sich auf "verletzendes Verhalten", also etwa Beleidigungen. 154 Mal wurden sogenannte Massenzuschriften registriert, worunter etwa Postings im Internet mit antisemitischen Inhalten zu rechnen sind. Von der Meldestelle aufgenommen wurden auch 58 Fälle von Sachbeschädigung, wie etwa antisemitische Schmierereien und Graffitis. Dazu kommen elf Bedrohungen und acht tatsächliche physische Angriffe.

Die größte Anzahl der Vorfälle (244) kam im ersten Halbjahr von politisch rechts motivierten Tätern, dem gegenüber stehen 71 Vorfälle, die von muslimischer Seite ausgingen. Dennoch zeigt sich, dass von der zweiten Gruppe die intensiveren Übergriffe ausgingen. Bei 100 Fällen wird davon ausgegangen, dass diese politisch links motiviert waren. 147 Übergriffe waren nicht eindeutig zuordenbar.

Spiegel der Realität

"Auch wenn die Zahlen auf den ersten Blick katastrophal wirken, sie spiegeln die Realität wieder", kommentierte IKG-Präsident Oskar Deutsch die jüngsten Daten gegenüber der APA. Israelbezogener Antisemitismus und Verschwörungsmythen sowie Shoah-Verharmlosung im Zuge der Corona-Pandemie müssten gesamtgesellschaftlich bekämpft werden.

"Wenn wir Antisemitismus nicht dort bekämpfen, wo er in Worten daherkommt - in der Straßenbahn, in der Schule, im Stadion oder auf Facebook - dann können schnell aus Worten Taten werden. Deshalb begünstigt eine Verharmlosung von Antisemitismus ebendiesen", so Deutsch.

Antisemitismus richte sich nicht nur gegen Juden, wie auch einige der jüngsten Fälle zeigen, merkte Deutsch außerdem an. Besonders wichtig sei festzuhalten, dass der Schutz jüdischer Einrichtungen wie Synagogen und Schulen durch Polizei, Bundesheer und die IKG-Sicherheitsabteilung auf sehr hohem Niveau gewährleistet sei. "Diese Sicherheitszusammenarbeit funktioniert nicht überall in Europa so vorbildlich."

"Gewachsene Identität"

Der Kampf gegen jede Form von Antisemitismus sei "Teil einer gewachsenen österreichischen Identität und der historischen Verantwortung unserer Landes", so Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) in einer ersten Reaktion auf die Zahlen. Auch Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) zeigte sich besorgt. Jeder einzelne der 562 Vorfälle sei einer zu viel. Sie verwies auf die Stabstelle für den Kampf gegen Antisemitismus im Bundeskanzleramt.

"Die heute präsentierten Zahlen zu antisemitischen Vorfällen im ersten Halbjahr sind alarmierend hoch und ein dringender Handlungsauftrag", reagierte die SPÖ-Sprecherin für Erinnerungskultur, Sabine Schatz via Aussendung. Sie forderte, rasch den Nationalen Aktionsplan gegen Rechtsextremismus umzusetzen. "Alarmiert und beschämt" zeigte sich die NEOS-Sprecherin für Inneres, Stephanie Krisper: "Dass wir als Gesellschaft in Österreich immer noch derart mit Antisemitismus zu kämpfen haben, ist eine Schande."