Die NATO berief wegen der Zuspitzung des Konflikts eine Sondersitzung ein. Für Montag sei ein Treffen des Nordatlantikrats auf Ebene der Botschafter angesetzt worden, teilte das Verteidigungsbündnis in Brüssel mit. Dabei solle über die Lage im Nahen Osten beraten werden.

Noch trauern im Iran Hunderttausende bei Prozessionen um Soleimani, aber Teheran hat Rache geschworen und dürfte wohl bald handeln. Für diesen Fall hatte Trump zunächst nur der Islamischen Republik harte Vergeltungsschläge in Aussicht gestellt, doch nun bekommt auch der Irak den Unmut des US-Präsidenten zu spüren: Für den Fall eines feindseligen Rauswurfs der rund 5.000 US-Soldaten aus dem Krisenland drohte Trump dem bisherigen US-Verbündeten mit Sanktionen "wie nie zuvor". Der Irak müsse die US-Bedingungen für einen Abzug erfüllen, forderte Trump am Sonntagabend während des Rückflugs aus Florida nach Washington in seinem Regierungsflugzeug Air Force One.

Die Regierung in Bagdad müsse die Kosten für bestimmte von den USA im Irak gebaute Infrastruktur zurückerstatten, darunter ein moderner Luftwaffenstützpunkt, der Milliarden US-Dollar gekostet habe. "Wir ziehen nicht ab, es sei denn, sie erstatten uns das zurück", sagte Trump. Sollte es keine einvernehmliche Lösung geben, müsse zu Sanktionen gegriffen werden, sagte er weiter. "Im Vergleich dazu werden die Iran-Sanktionen einigermaßen harmlos erscheinen", drohte er Journalisten zufolge.

Das irakische Parlament hatte am Sonntag die Regierung aufgefordert, alle ausländischen Truppen aus dem Land zu verweisen. Zudem sollen ausländische Streitkräfte künftig auch den irakischen Luftraum nicht mehr nutzen dürfen. Die USA haben derzeit vor allem für den Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) rund 5.000 US-Soldaten im Irak stationiert. Der Beschluss des Parlaments war von dem US-Luftangriff auf Soleimani in der Nacht auf Freitag in Bagdad ausgelöst worden.

Unklar ist bisher, ob sämtliche Soldaten der von den USA geführten internationalen Koalition zur Bekämpfung des IS abziehen müssen. Beteiligt an der Militärmission sind u.a. auch Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Der Beschluss des irakischen Parlaments lässt der Regierung des Landes Spielraum, um eine Zahl an ausländischen Militärausbildern und Spezialisten im Land zu lassen.

Trump erneuerte für den Fall iranischer Vergeltungsschläge auf US-Ziele auch seine umstrittene Drohung mit Angriffen auf Kulturstätten im Iran. Der Iran foltere und töte Amerikaner, "und wir sollen ihre Kulturstätten nicht anrühren dürfen? So funktioniert das nicht", sagte Trump den Journalisten zufolge. Wenn der Iran US-Ziele angreife, werde es "massive Vergeltung geben".

US-Außenminister Mike Pompeo wies später den Vorwurf zurück, dass die USA Kriegsverbrechen planten. Jegliche Militärschläge gegen den Iran würden "gesetzeskonform" sein, erklärte Pompeo am Sonntag im Gespräch mit dem Fernsehsender ABC.

Die unverblümte Drohung des Republikaners sorgte im In- und Ausland für Entrüstung. Die "feindseligen und bedrohlichen" Aussagen Trumps seien "absolut inakzeptabel und verstoßen gegen internationale Gesetze", hatte der iranische Vizeaußenminister Abbas Araqchi dazu gesagt.

In Irans Hauptstadt Teheran nahmen unterdessen am Montag Hunderttausende Menschen an der Trauerzeremonie für den bei einem US-Raketenangriff in Bagdad getöteten iranischen General Qassem Soleimani teil. In der Früh gab es zunächst ein sogenanntes Leichengebet in der Universität Teheran, dem Tausende beiwohnten. Danach sollte Soleimanis Leiche zum Azadi-Platz (Assadi, Asadi) im Westen Teherans transportiert werden. Entlang der fast drei Kilometer langen Strecke wurden Medienberichten zufolge Hunderttausende Menschen erwartet, um Abschied von dem getöteten Kommandant der iranischen Quds-Einheit zu nehmen.

Von Teheran aus sollte der Leichnam dann in die schiitische Hochburg Qom (Ghom) gebracht werden. Auch dort war eine Zeremonie vor einem Mausoleum geplant. Die Beisetzung Soleimanis findet voraussichtlich am Dienstag in seinem Geburtsort Kerman im Südostiran statt. Schon am Sonntag hatten nach örtlichen Medienangaben Hunderttausende Iraner an zwei Trauerzügen für Soleimani in Ahvaz im Südwestiran und in der Heiligen Stadt Mashhad im Nordostiran teilgenommen.

Deutschland, Großbritannien und Frankreich forderten alle Seiten zu "äußerster Zurückhaltung" auf. "Es kommt nunmehr entscheidend darauf an zu deeskalieren", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Präsident Emmanuel Macron und Premierminister Boris Johnson, die das deutsche Bundespresseamt am Sonntagabend veröffentlichte. "Die aktuelle Spirale der Gewalt in Irak muss beendet werden."

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will in den nächsten Tagen das Gespräch mit dem iranischen Präsidenten Hassan Rouhani suchen. Das kündigt Macrons Büro an.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg setzte für Montag kurzfristig eine "dringende" Sitzung des Nordatlantikrats an. Das US-geführte Militärbündnis erklärte am Sonntag, die Truppen würden sich angesichts der angespannten Situation auf den Schutz ihrer Stützpunkte konzentrieren. Die Unterstützung der Partner im Kampf gegen den IS werde bis auf Weiteres ausgesetzt.

Die Präsidentin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, von den oppositionellen Demokraten kündigte eine Resolution an, mit der die militärischen Möglichkeiten von US-Präsident Donald Trumps hinsichtlich des Iran begrenzt werden sollen. Die Abstimmung in der Kongresskammer darüber solle noch in dieser Woche erfolgen.

Der Angriff auf Soleimani erfolgte nach Angaben der USA, um weitere von ihm geplante Attacken auf US-Diplomaten und Einsatzkräfte zu verhindern. Die Regierung machte aber keine Details dazu öffentlich. Die "New York Times" berichtete unter Berufung auf nicht namentlich genannte Regierungsquellen, die Erkenntnisse der Geheimdienste seien "dünn" gewesen. Führende Demokraten meldeten Zweifel an der offiziellen Begründung der US-Regierung für den Luftangriff auf Soleimani an. Außerdem verdächtigen sie Trump, mit dem Angriff vom laufenden Amtsenthebungsverfahren gegen ihn ablenken zu wollen.