Internationale Zeitungen befassen sich am Donnerstag mit der türkis-grünen Regierungsbildung in Wien und ihren Auswirkungen über die Grenzen Österreichs hinaus.

Die "Süddeutsche Zeitung" (München) schreibt unter dem Titel "Das Versuchslabor":

"Die Risiken liegen auf der Hand bei diesen ungleichen Partnern. Dass sie sich in zähem Ringen auf ein Koalitionsabkommen geeinigt haben, ist ein ermutigendes Zeichen, aber noch nicht viel mehr. Denn dieses Bündnis wird sich, anders als die Vorgänger, immer wieder aufs Neue finden müssen, und das per Definition. Die frühere große Koalition war ein Bündnis der breiten Mitte, Schwarz-Blau war eine Rechtsregierung - und Türkis-Grün ist eine Koalition des Spagats. ÖVP-Chef und Kanzler Sebastian Kurz muss dabei weit nach rechts ausschreiten und auf die vielen Wähler achten, die von der FPÖ zu ihm übergelaufen sind. Er wird sie nicht verlieren wollen. Der Grünen-Vorsitzende und Vizekanzler Werner Kogler dagegen muss vor allem die linke Basis davon überzeugen, dass für den Juniorpartner Regierungspolitik immer nur die Kunst des Möglichen ist."

Ein Vorbild für Berlin? (Focus)

Sebastian Kurz spaltet wie nur wenige Führungsfiguren. Für die einen ist er Inbegriff konservativer Prinzipienfestigkeit. Andere werfen ihm brandgefährliches Schielen nach rechts vor. Ausgerechnet dieser smarte 33-Jährige könnte nun in Österreich mit seiner Koalition mit den Grünen zeigen, was möglich ist, wenn zusammenarbeiten muss, was eigentlich nicht zusammengehört. Ein Vorbild für Berlin?

Auch die NYTimes berichte:

"Frankfurter Rundschau" (Frankfurt)

"Dennoch war die Zusammenarbeit mit der FPÖ für die Kurz-ÖVP sicherlich bequemer - denn inhaltlich gab es kaum mehr Unterschiede, seit Kurz die ÖVP weit nach rechts geführt hatte. Dennoch ist dieses Wagnis einer Zusammenarbeit mit den Grünen für Kurz jetzt kein leichtfertiger Versuch, den er schnell wieder aufgeben würde. Beide Seiten meinen es überaus ernst, obwohl es vielerlei Bruchstellen für diese neue Form des Bündnisses gibt."

"Neue Westfälische Zeitung" (Bielefeld)

"Eine schwarz-grüne Regierung wäre in Österreich auf Bundesebene eine Premiere. Dem Bündnis wird bereits jetzt Symbol-Charakter für Deutschland und andere europäische Länder zugesprochen. ÖVP-Chef Sebastian Kurz wagt nach eineinhalb Jahren in einer aus dem Ausland stets kritisch beäugten Regierung mit der rechten FPÖ nun einen Richtungswechsel. Dass die Verhandlungen erfolgreich enden würden, hatte sich in den vergangenen Tagen abgezeichnet."

"Le Monde" (Paris)

"Das Tandem zwischen dem liberalen Kurz, Verfechter einer harten Einwanderungspolitik, und den links verankerten Grünen ist nicht selbstverständlich. Das Land wird nunmehr zu den EU-Staaten gehören, in denen sich die Umweltschützer an der Regierung beteiligen. Der Konservative Sebastian Kurz und die Grünen haben am Mittwoch, dem 1. Jänner, einen Koalitionsvertrag besiegelt, mit dem die Rückkehr des jungen christdemokratischen Anführers, der bis Mai mit der äußersten Rechten regierte, in sein Amt unterzeichnet wurde."

"Dolomiten" (Bozen)

"Heureka! Die Silvesterfeuerwerke waren gerade verraucht, da zündeten Österreichs junger Altkanzler und sein grüner Kompagnon das nächste, von den Medien seit Tagen einbegleitete Feuerwerk: Wir haben eine Regierung, und was für eine! Türkis-Grün, die erste Ehe zwischen Bürgerlichen und der Öko-Bewegung auf Bundesebene in Österreich - papperlapapp - in Europa ist fix."