Dass sich die Grünen für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen aussprechen, überrascht nicht. Schon im Wahlkampf hatte Grünen-Chef Werner Kogler angedeutet, dass man sich Verhandlungen mit dem türkisen Erzfeind nicht entziehen werde. Als sich am Wahlsonntag unvermutet die türkis-grüne Koalitionsoption auftat, war schnell klar: Im Schmollwinkel der Innenpolitik zu verharren und Kurz den Rücken zu kehren, würde zwar in gewissen grünen Zirkeln Begeisterungsstürme entfachen, würde aber Türkis-Blau-2 den Weg ebnen sowie den Klimawandel eher noch beschleunigen.

Die Aufnahme der Verhandlungen sagt nichts über deren Ausgang aus. In den Überschriften mag man sich schnell einig sein, aber wie so oft steckt der Teufel im Detail. Inhaltlich liegen ÖVP und Grüne so weit auseinander, dass ein wenig die Fantasie fehlt, wie ein 200 Seiten dickes Koalitionsabkommen aussehen könnte, das von beiden Parteien getragen wird.

Kurz und Kogler betonen bei jedweder Gelegenheit, als verantwortungsvolle Spitzenpolitiker dem Gemeinwohl verpflichtet zu sein. Das sollte die Handlungsmaxime der kommenden Wochen sein - sich bei der Suche nach dem Konsens und dem Kompromiss nicht von parteitaktischen Überlegungen leiten zu lassen, sondern die Vernunft und die staatspolitische Verantwortung in den Vordergrund zu stellen.

Ginge es nach der Parteilogik, müsste man gar nicht erst in Verhandlungen treten. Der Klimawandel lässt sich allerdings nur stoppen, wenn der Brückenschlag zwischen Ökonomie und Ökologie gelingt - und sich die Apologeten der reinen Lehre in den Schmollwinkel zurückziehen.