Inmitten der festgefahrenen Verhandlungen mit den USA über sein Atomwaffenprogramm demonstriert Nordkorea militärische Stärke. Das nordkoreanische Militär habe am Samstagvormittag (Ortszeit) im Rahmen eines Waffentests mehrere "Projektile" von kurzer Reichweite in Richtung offenes Meer abgefeuert, teilte der Generalstabschef der südkoreanischen Streitkräfte mit.

Unklar war zunächst, um welchen Waffentyp es sich dabei handelte. Vermutet wurde, dass Raketen von einem Mehrfach-Raketenwerfer aus abgeschossen wurden. Zunächst war vom Start einer einzelnen Rakete die Rede gewesen.

Die US-Regierung nahm zunächst nicht inhaltlich Stellung dazu. Man habe die Aktionen Nordkoreas wahrgenommen, sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Sarah Sanders. Die Lage werde weiter beobachtet.

70 bis 200 Kilometer weit

Südkorea hat sich "sehr besorgt über" den Abschuss von Kurzstreckenraketen durch Nordkorea gezeigt. Die Regierung in Seoul forderte Nordkorea am Samstag auf, "die Aktion einzustellen, die die militärischen Spannungen auf der koreanischen Halbinsel verschärft". Sie wies darauf hin, dass die jüngste Aktion Pjöngjangs gegen ein innerkoreanisches Militärabkommen verstoße.

"Wir erwarten, dass Nordkorea sich aktiv an den Bemühungen um eine rasche Wiederaufnahme der Gespräche zur Entnuklearisierung beteiligt", sagte eine Sprecherin des Präsidenten. Nordkorea hat nach Erkenntnissen aus Südkorea Samstag früh eine Kurzstreckenrakete abgefeuert. Diese sei von der Küstenstadt Wonsan in Richtung Osten geflogen.

Die Projektile wurden den südkoreanischen Angaben zufolge im Abstand von etwa 20 Minuten von der Ostküste des Nachbarlandes aus abgeschossen. Sie seien etwa 70 bis 200 Kilometer weit geflogen und dann ins Meer gestürzt. Es seien keine ballistischen Raketen gewesen, zitierte die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap einen Militärvertreter. Tests mit ballistischen Raketen verschiedener Reichweiten sind Nordkorea ebenso verboten wie Atomwaffenversuche.

Ballistische Raketen sind in der Regel Boden-Boden-Raketen, die einen konventionellen, chemischen, biologischen oder atomaren Sprengkopf befördern können. Neue Tests mit solchen Raketen durch Nordkorea könnten als Zeichen offener Herausforderung an US-Präsident Donald Trump gewertet werden.

Der jüngste Waffentest erfolgte etwa eineinhalb Jahre nach dem Start einer Interkontinentalrakete durch Nordkorea, der international als Provokation bewertet worden war. Die kommunistische Führung hatte damals erklärt, mit ihren Raketen das gesamte Festland der USA erreichen zu können. Nordkorea wirft den Vereinigten Staaten eine feindselige Politik vor.

Seit dem gescheiterten Gipfeltreffen zwischen dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un und Trump im Februar in Vietnam hat die Unsicherheit wegen der Lage auf der koreanischen Halbinsel wieder zugenommen. Beide Seiten konnten sich in der zentralen Frage der atomaren Abrüstung Nordkoreas nicht einigen.

"Es scheint offensichtlich, dass Nordkorea wütend ist über den scheinbaren Mangel an Flexibilität in der Position der Trump-Administration zum Abbau von Sanktionen", kommentierte Harry Kazianis vom Institut Center for the National Interest.

Nordkorea hatte in den vergangenen Wochen mehrmals seinen Unmut über die Weigerung der USA bekundet, die Sanktionen zu lockern. Im April erklärte Kims Regierung zudem, nicht länger mit US-Außenminister Mike Pompeo als Verhandlungsführer über ihr Atomprogramm sprechen zu wollen. Sie warf Pompeo vor, die Gespräche zu behindern. Pompeo wies dies zurück.

Die ungewöhnlich offene Kritik am US-Außenminister folgte auf Berichte der nordkoreanischen Staatsmedien, wonach Kim dem Test einer neuartigen taktischen Lenkwaffe beigewohnt habe. Um welchen Waffentyp es sich handelte blieb unklar. Sowohl der Test als auch die Kritik an Pompeo wurden auch als Versuch gesehen, den Druck auf die USA zu erhöhen.