Die europäischen Linksparteien haben scharfe Kritik am Kurs von Österreich und anderen EU-Staaten in der Migrationspolitik geübt. Die "Politik der Abschottung" müsse aufhören, unterstrichen der Präsident der Europäischen Linken, Gregor Gysi, der slowenische Linken-Chef Luka Mesec und KPÖ-Vorsitzender Mirko Messner am Donnerstag in Wien.

Konkret kritisierten sie die österreichischen und deutschen Grenzschließungspläne und betonten, dass in erster Linie die Fluchtgründe bekämpfen werden müssten. "Seitdem es um die Flüchtlingsfrage geht, ist die Solidarität in der EU zerstört", sagte Gysi bei der Pressekonferenz anlässlich der Sommeruniversität der Europäischen Linken, die diese Woche in Wien stattfindet. Zwischen den EU-Ländern habe es noch nie Kriege gegeben, sagte der 70-Jährige. "Wenn wir aber zu den alten Nationalstaaten zurückkehren, kehrt auch der Krieg nach Europa zurück." Die nationale Selbstgenügsamkeit der europäischen Länder sei irreal und rückwärtsgewandt. "Man kann sich nicht mehr aufeinander verlassen", beklagte der deutsche Linkspolitiker.

"Nationalismus verbreiten"

Gysi bezeichnete die vom österreichischen Ratsvorsitz verfolgte Linie in der Migrationspolitik gegenüber der APA als "einseitig". "Es geht um die Abschottung. Es geht nur darum, wie man verhindert, dass überhaupt ein Flüchtling über das Mittelmeer nach Europa kommt", sagte er. "Die Regierung von Sebastian Kurz macht alles, um Nationalismus in Österreichs Nachbarländern zu verbreiten", warnte auch Mesec.

Seine größte Befürchtung sei, dass Österreich und Deutschland ihre Grenzen dicht machten und dadurch Slowenien zu einem Staat wird, wo die Flüchtlinge hängenbleiben. Es sei kein Zufall, dass Österreich gerade den 25. Juni für die große Grenzschutzübung (am österreichisch-slowenischen Grenzübergang Spielfeld, Anm.) gewählt hatte, "denn das ist der Feiertag, an dem wir unsere Unabhängigkeit feiern. Für mich war das ein Aufruf der österreichischen Regierung, die Grenzen selber zu schließen oder aber mit weiteren solchen Operationen zu rechnen", so Mesec.

"Der Kern des Problems sind nicht die Flüchtlinge, sondern die Tatsache, dass alle wichtigen EU-Institutionen die Rivalität und den Egoismus stimulieren", betonte Mesec. Es gebe zu wenig Kooperation zwischen den einzelnen EU-Staaten. Alle Nachbarländer Sloweniens - Kroatien, Italien, Österreich und Ungarn - hätten derzeit eine rechte Regierung. Das wirke sich auf die slowenische Politik aus. "Die Linke ist zur Zeit die einzige Partei in Slowenien, welche die Solidarität, die Offenheit und die Demokratie beschützen möchte", sagte der Linkspolitiker, dessen Partei bei der Parlamentswahl Anfang Juni deutlich zulegen konnte und neun von 90 Abgeordneten stellt.

Fluchtursachen

Gysi sagte, der Westen spiele bei Fluchtursachen eine entscheidende Rolle. "Was mir bei der österreichischen Regierung am meisten fehlt, sind Ideen zur wirksamen Bekämpfung der Fluchtursachen. Das wäre der richtige Schritt, um die Zahl der Flüchtlinge zu reduzieren." Als Beispiel für einen konkreten Fluchtgrund, der aus seiner Heimat ausgehe, nannte Gysi den deutschen Waffenexport. "Wir verdienen an jedem Krieg! Jede 14. Minute wird ein Mensch mit einer deutschen Waffe erschossen. Und dann beschweren wir uns über Kriegsflüchtlinge!", so Gysi.

"Die österreichische Regierung ist dabei, die Art, wie der österreichische Sozialstaat funktioniert, in einem atemberaubenden Tempo zu zerstören", meinte der KPÖ-Vorsitzende Mirko Messner. Messner sieht ein Paradoxon in der Darstellung der österreichischen Regierung als Brückenbauer. Die Regierung baue tatsächlich Brücken, "allerdings zwischen der extremen Rechten und der liberalen Mitte. Wir wollen uns dagegen wehren und dazu beitragen, diese Entwicklungen bei Europawahlen 2019 sichtbar zu machen", so Messner.