In seiner ersten Rede vor einem SPÖ-Bundesparteitag hat Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern Samstagvormittag den Koalitionspartner ÖVP heftig kritisiert und eine klare Abgrenzung zur FPÖ gezogen. In der Rede wiederholte Kern über weite Strecken Ausführungen vom Landesparteitag der Kärntner SPÖ vor drei Wochen und  bekräftigte die Forderung nach Vermögenssteuer und Maschinensteuer.

"Wir sind die Partei der Steuergerechtigkeit, nicht der Steuererhöhung", verteidigte er seine Steuerforderungen. Es gehe nicht an, dass globale Konzerne wie Amazon, Google, Facebook oder Starbucks Millionen Umsatz in Österreich machen und fast keine Steuern zahlen würden. Aus der Digitalisierung würden riesige Produktivitätsgewinne resultieren. Man müsse  über eine Neuverteilung der Arbeit nachdenken. Manche seien "bei der Maschinensteuer nervös geworden", wir wollen die belohnen, die  Beschäftigung sichern".

"Wie retro ist das!?"

Ohne Vizekanzler und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner namentlich zu nennen, bezog er sich auf dessen Ablehnung "mit mir nicht". Die Haltung der ÖVP  erinnere an eine Haltung "wir stellen uns tot", sagte Kern. "Sonnenaufgang - mit mir nicht, Winter - wir werden nie zustimmen. Wie retro ist das!?" fragte Kern süffissant. Zuvor hatte er mit der Bemerkung, er habe ÖBB und ÖVP oft verwechselt - aus unerfindlichen Gründen, "die einen bewegen sich".

Gegenüber der FPÖ traf Kern in wörtlicher Anlehnung an Kärntens Landeshauptmann und SPÖ-Chef Peter Kaiser eine Abgrenzung nach klaren Kriterien. Eine Art der Politik mit Hassreden wolle man nicht. Die SPÖ sei für Heimatverbundenheit aber gegen Chauvinismus und Nationalismus. Sie mache eine Politik der Hoffnung und nicht der Angst und bekenne sich zum Sozialstaat und dem europäischen Zusammenleben. Ohne Heinz Christian Strache namentlich zu nennen, richtete er ihm aus: "Ich bin  nicht bereit, den Schlüssel für das Bundeskanzleramt an die Blauen abzugeben."

Flüchtlinge nicht schuld am Brexit

Zum Votum der Briten für den Austritt aus der EU sagte Kern, man dürfe für den Brexit nicht den Flüchtlingen die Schuld geben. Man müsse zu einem Europa finden, in dem nicht die Waren, sondern die Menschen in den  Mittelpunkt stellt.

Dank an Faymann

Seinen nicht anwesenden Vorgänger Werner Faymann dankte Kern ausdrücklich. Faymann habe zehn Jahre lang das Land durch eine Zeit mit viel Gegenwind geführt. Auch Wiens Bürgermeister Michael Häupl danke Faymann: "Wir werden sicherlich Gelegenheit haben, mit etwas zeitlichem Abstand und auch emotionellem Abstand, das zu würdigen und ihm auch persönlich Danke zu sagen." Der Partei empfahl Häupl, "dass wir ein mehr an Diskussion und ein weniger an Sitzungen durchaus brauchen könnten".

Lob für Kerns rede und Kritik an der SPÖ Burgenland brachte die Parteitagsdiskussion. SJ-Chefin Fiona  Kaiser kritisierte die  von der burgenländischen SPÖ betriebene Kürzung der Mindestsicherung für Flüchtlinge. Nationalratspräsidentin Doris Bures, Vertraute von Ex-Parteichef Werner Faymann, forderte von der SPÖ "eine solidarischere Diskussion" als zuletzt. "Auch gravierende Veränderungen müssen ohne Wunden zu schlagen möglich sein", forderte Bures.

Zu früh gratuliert

Kurios: Obwohl Kern erst am Nachmittag zum Parteiobmann gewählt wird, gratulierte ihm Bauernbund-Präsident Jakob Auer schon zu Mittag in einer Aussendung "zu dessen überzeugendem Ergebnis bei seiner heutigen Wahl zum neuen SPÖ-Parteivorsitzenden". Kerns Steuerpläne  kritisierte Auer als "Belastungsideen von Eigentum".

FPÖ-Generalsekrertär Herbert Kickl erblickte in Kern ein "personifiziertes Viktor-Klima-Déjà-vu, ein reines Medienprodukt, das sehr schnell entzaubert sein werde".

Adolf Winkler