In den letzten Monaten war er gesundheitlich bereits schwer angeschlagen. Gestützt auf zwei Stöcken konnte er sich, wenn er im politischen Bermudadreieck der Republik, in der Wiener Innenstadt, von einem Termin zum nächsten eilte, nur noch mühsam fortbewegen. Nun ist Hannes Androsch im Alter von 86 Jahren gestorben.
Androsch zählte zweifelsohne zu den schillerndsten politischen Persönlichkeiten der Zweiten Republik. Schon in jungen Jahren legte er eine steile Karriere hin. Im Alter von 32 Jahren wurde der damalige Steuerberater von Bundeskanzler Bruno Kreisky 1970 als Finanzminister eingesetzt. Der gebürtige Wiener, der im Kindesalter die Vertreibung der Deutschen aus Südmähren miterleben musste, stieg früh in der roten Minderheits- und dann Alleinregierung, die politisch wie auch gesellschaftlich eine Zeitenwende markieren sollte, zum logischen Kronprinzen auf, der damalige ÖGB-Chef Anton Benya unterstützte ihn nach Kräften. Mit seinem jugendlichen Charme und seiner Eloquenz strahlte der gutaussehende SPÖ-Spitzenpolitiker auch tief in bürgerliche Wählerschichten hinein.
Doch Ende der siebziger Jahre fiel Androsch bei Kreisky in Ungnade, als ruchbar wurde, dass seine Floridsdorfer Steuerberatungskanzlei „Consultatio“ auch von staatlichen Aufträgen profitiert hatte. Nach dem Rücktritt wechselte er in den staatsnahen Bereich und wurde Generaldirektor der Creditanstalt. 1988 musste Androsch auch dort nicht ganz freiwillig den Hut nehmen. Wegen privater Schwarzgeldkonten musste sich der einstige Finanzminister vor Gericht verantworten, seine Behauptung, das Geld stamme von seinem reichen Wahlonkel, verfing nicht. Wegen Steuerhinterziehung wurde er schließlich verurteilt.
Androsch machte sich in seinem zweiten Lebensabschnitt als Unternehmer einen Namen. Der Wahl-Altausseer beteiligte sich an den Salinen, gleichzeitig baute er mit AT&S Europas größten Leiterplattenhersteller auf, der bald nach China und in alle Welt expandieren sollte. Auch beim Wettanbieter bwin stieg er ein..
Das letzte Interview in der Kleinen Zeitung
Androschs physische Gebrechlichkeit stand allerdings im schroffen Gegensatz zu einer geistigen Frische. Der Industrielle verstand sich, wie er es gelegentlich selbst formulierte, als „citoyen“, als engagierter Bürger, dem das Gemeinwohl ein großes Anliegen ist und der, wenn es erforderlich ist, wortgewaltig die Öffentlichkeit sucht. Die Parallele zu dem zu Wochenbeginn im Alter von 82 verstorbenen Ex-Industriellen Claus Raidl, der dem bürgerlichen Lager entstammte, drängt sich auf.
Reaktionen auf das Ableben von Hannes Androsch
Wenig Erfolg hatte Androsch mit dem von ihm selbst initiierten Bildungsvolksbegehren, der Zulauf blieb hinter den Erwartungen zurück. Wahrscheinlich auch wegen seiner unternehmerischen Tätigkeit in aller Welt waren die letzten zwei Jahrzehnte stark vom Unverständnis über die verkrusteten Strukturen des Landes wie auch von der Sorge um den österreichischen und den europäischen Wirtschaftsstandort geprägt.
Wenig überraschend führte dies unweigerlich zum Clinch mit der eigenen Partei, bisweilen auch mit den Parteichefs, denen er mangelnden standortpolitischen Weitblick attestierte. Dabei fehlte nie der Verweis auf das rote Wirtschaftsprogramm zu Beginn der Ära Kreisky, das den Slogan „Leistung, Aufstieg, Sicherheit“ trug und das Androsch wesentlich mitgeprägt hatte. Androsch wandte sich in seinen Wortmeldungen gegen die verbreitete Vollkasko-Mentalität, vor allem aber gegen die ideologiebehaftete, klassenkämpferische Rhetorik im Umgang mit Unternehmern, Firmen, der Wirtschaft. Obwohl ideologisch auf derselben Wellenlänge, blieb Androsch bis zuletzt unversöhnlich gegenüber Franz Vranitzky – vielleicht auch, weil dieser es, anders als Androsch, ins Kanzleramt geschafft hat.