Aus den Lautsprechern tönte nicht die nächste Haltestelle, sondern stattdessen "Sieg-Heil"-Rufe: Im ÖBB-Railjet 661 von Bregenz nach Wien ist es am Sonntagabend kurz vor St. Pölten zu verstörenden Durchsagen gekommen.

Zwei verdächtige Personen wurden laut den ÖBB angezeigt. Sie konnten via Videoüberwachung am Bahnsteig ausgeforscht werden, heißt es am Montag von ÖBB-Sprecher Peter Thier. Das Duo dürfte eine der sogenannten Sprechstellen im Zug "gekapert" haben und dort einfach ein Handy mit Aufnahmen drangehalten haben. Die Sprechstellen gibt es in jedem Waggon. Sie sind mit einem eigenen Schlüssel versperrt, den jeder Bahnmitarbeiter hat. "Es handelt sich um Standardschlüssel, das ist europaweit der gleiche", sagt Thier. Das sei notwendig, weil jeder Mitarbeiter Zugang zur Sprechstelle haben müsse, egal in welchen Zug er steigt. Deswegen ließen sich die Sprechstellen auch nicht einfach sicherer machen.

"Zehntausende Standardschlüssel"

Wie die zwei Tatverdächtigen an einen Schlüssel gekommen sind, ist noch unklar. Thier vermutet: "Es gibt Zehntausende von diesen Schlüsseln, da dürfte vielleicht einmal einer abhandengekommen sein." Wird die Sprechstelle betätigt, sind zu der Zeit die Notsprechstellen blockiert.

Der Vorfall am Sonntagabend war nicht der erste dieser Art. Insgesamt sind drei Fälle, in denen die Lautsprecher "gekapert" wurden, bekannt, bestätigt man vonseiten der ÖBB. Die ersten beiden Vorfälle gab es in der Vorwoche, immer auf der Strecke zwischen St. Pölten und Wien. Kinderlieder und Hoppalas der Schauspielerin Chris Lohner waren da zu hören. Bei den ÖBB geht man davon aus, dass dasselbe Duo hinter allen drei Taten steckt.

Zugbegleiterin komplett hilflos

Am Sonntagabend befand sich auch der Grüne-Abgeordnete David Stögmüller im Zug. Er teilte auf Twitter ein Video, in dem der kurze Ausschnitt der Hitler-Rede zu hören ist. Die Zugbegleiterin sei komplett hilflos gewesen, habe nicht gewusst, wie sie die Durchsage stoppen könne, schildert Stögmüller und fordert Aufklärung und Anzeige. Ebenfalls miterlebt hat den Vorfall der Wiener Gemeinderabbiner Schlomo Hofmeister. "Irgendwelche Nazi 'Lausbuben'" hätten 20 Minuten lang "ganz ungestört und ungeniert immer wieder das Programm gestaltet", schreibt er auf Twitter.

Die ÖBB reagierten am selben Abend auf Twitter mit der Antwort: "Leider kommt es derzeit in einzelnen Zügen zu irritierenden Durchsagen, von denen wir uns inhaltlich klar distanzieren!" Man arbeite auf Hochtouren an der Behebung der "technischen Störung".

Die Polizei ermittelt in Zusammenarbeit mit den ÖBB, sagt Polizeisprecher Johann Baumschlager am Montagvormittag, man habe den Fall an das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) weitergegeben. Die Verbreitung nationalsozialistischer Inhalte fällt unter Wiederbetätigung und ist strafbar.