Am Wiener Landesgericht ist am Dienstag ein Kontaktmann des Attentäters von Wien verurteilt worden, der am 2. November 2020 in der Innenstadt vier Passanten getötet und 23 Menschen zum Teil schwer verletzt hatte, ehe er von der Polizei erschossen wurde. Der 24-Jährige, der laut Anklage dem Attentäter das geistige Rüstzeug geliefert haben soll, wurde wegen terroristischer Vereinigung und krimineller Organisation zu einer Freiheitsstrafe von 19 Monaten verurteilt.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der 24-Jährige nahm nach längerer Besprechung mit seinem Verteidiger Sascha Flatz das Urteil an. Die Staatsanwältin gab keine Erklärung ab.

Richter: "Sie sind ein IS-Mann"

"Sie sind ein IS-Mann. Davon sind wir überzeugt", sagte der Vorsitzende Richter in der Urteilsbegründung. Bei der Strafe war auf ein Urteil in einem separaten, vorangegangen Verfahren wegen Diebstahls bedacht zu nehmen. Der 24-Jährige hatte für die Beteiligung an Fahrrad-Diebstählen fünf Monate ausgefasst. Insgesamt hätte der 24-Jährige somit – sollte das nunmehrige Urteil Rechtskraft erlangen – zwei Jahre zu verbüßen. Der Mann befindet sich seit 3. November 2020 in U-Haft, er war wenige Stunden nach dem Terror-Anschlag in der Wiener Innenstadt festgenommen worden.

Der Angeklagte hatte sich in seinem Schlusswort klar vom Anschlag in Wien distanziert und um einen Freispruch ersucht. Er sei von den Medien immer wieder im Zusammenhang mit dem Anschlag "persönlich erwähnt" worden, obwohl er damit nichts zu tun habe. Zum Attentat bemerkte er: "Ich will ganz klarstellen, dass ich das, was passiert ist, bedaure." Der Gott, an den er glaube, gehe nicht durch die Straßen und töte Menschen. Er habe den Attentäter zwei- bis dreimal gesehen und von dessen Plänen nichts gewusst: "Wenn ich davon gewusst hätte, hätte ich das gemeldet."

Für den Verteidiger handelte es sich beim Angeklagten dagegen um einen "ganz normalen Mann, der sich für den Salafismus entschieden hat. Das ist nicht strafbar." Sein Mandant sei "kein durchgeknallter Jihadist", das Beweisverfahren habe in diese Richtung keinerlei Beleg erbracht.

Bibliothek mit salafistischen Büchern

Der 24-Jährige hatte in St. Pölten eine Wohnung angemietet, in der er laut Anklage Gleichgesinnten nicht nur Arabisch beibrachte, sondern auch Gedankengut der radikal-islamistischen Terror-Miliz "Islamischer Staat" (IS) vertrat. Die Staatsanwältin sieht in ihm ein IS-Mitglied und wirft ihm die Verbrechen der terroristischen Vereinigung und der kriminellen Organisation vor. Er soll in der Wohnung eine Bibliothek mit salafistischen Büchern aufgebaut, zwei einschlägige Bücher vertrieben und in diversen Chat-Kanälen Inhalte geteilt haben, die direkt von der IS-Medienstelle kamen.

"Zum Teetrinken" getroffen

Ein Zeuge hatte am letzten Verhandlungstag bestätigt, der Angeklagte habe im Rahmen des Freitag-Gebets gepredigt, wofür sich bisher im Ermittlungsverfahren kein Beleg gefunden hatte. Als weitere Zeugen traten einige langjährige Bekannte des Angeklagten auf, die diesen teilweise schon seit der Schulzeit kennen. In der Wohnung habe man sich "zum Teetrinken" getroffen, behauptete ein junger Mann, der sich in U-Haft befindet, weil er den Strafverfolgungsbehörden zufolge Kämpfer für den IS rekrutieren und einen Betreuer der Deradikalisierungsstelle Derad zur Unterzeichnung eines "Schutzvertrags" bringen wollte. Dann werde er ungeschoren davon kommen. Auf die Frage, ob es in der Wohnung Unterricht und Kurse gegeben habe, erwiderte dieser Zeuge: "Nicht wirklich. Ab und zu haben wir Arabisch gelernt. Wer Fragen hatte, konnte Fragen stellen." Der 24-Jährige habe sich "am besten ausgekannt." Man habe über "Alltagsthemen" gesprochen.

Attentäter in der Wohnung angetroffen

Ein anderer Zeuge konnte sich daran erinnern, den späteren Attentäter "drei- bis viermal" in der Wohnung getroffen zu haben. Mit diesem habe er einmal kurz über den IS geredet, der in der Wohnung grundsätzlich aber "nie" Thema gewesen sei. Die Wohnung habe vielmehr als "Rückzugsort" gedient, wohin man sich bei "Streit mit der Familie" begeben habe: "Wir haben zusammen gechillt. Wir haben Tee getrunken, Pizza bestellt." Einen Arabisch-Kurs habe es auch gegeben: "Jeder, der kommen wollte, war willkommen. Es war kein geschlossener Kreis. Wir hatten nichts zu verheimlichen."

Siegelring des IS am Finger

Dass der spätere Attentäter einen Siegelring des IS am Finger hatte, fiel zumindest zwei Männern auf. "Ich habe ihm gesagt, dass er den nicht tragen soll, weil man ihn nicht tragen darf. Er ist der Ring des Propheten", schilderte einer von ihnen dem Gericht. Der spätere Attentäter habe darauf gelacht. Ein zweiter erläuterte, der IS habe den Siegelring Mohammeds vereinnahmt. Dieser gelte jetzt unter IS-Sympathisanten als Erkennungszeichen, es sei aber "wirklich verboten", diesen Ring zu tragen: "Das ist der Ring des Propheten, Frieden und Segen auf ihn."

Dass neben Arabisch in der Wohnung auch die Glaubenslehre des Islam und die Auslegung des Koran Themen waren, räumten zwei Zeugen dann doch ein. Es sei um "die großen und die kleinen Sünden" gegangen, berichtete ein junger Mann. Radikale Inhalte habe er nicht in Erinnerung.