Nicht nur der Neusiedler See, der in den letzten Wochen europaweit für Schlagzeilen sorgte, droht durch Hitze und Niederschlagsmangel auszutrocknen. Es sind vor allem Österreichs Berge, die unter dem Klimawandel leiden – und das schon seit vielen Jahren, wie der Gletscherschwund zeigt. Doch heuer sind die Auswirkungen besonders extrem: geschmolzene Pisten auf dem Hintertuxer Gletscher, der Gipfel des hohen Sonnblicks erstmals bereits im Juli schneefrei, der Hintereisferner, einer der größten Gletscher Tirols, erreichte schon vor den Sommermonaten einen Eisverlust, den es in den letzten Jahren erst Ende August gab. Dazu kommen erschreckende Bilder von der verschwindenden Pasterze beim Großglockner und Warnungen der Experten vor Gletschertouren – nicht erst seit dem Gletscherabbruch der Marmolada in den Südtiroler Dolomiten mit seinen elf Todesopfern.

Der Juli ist einfach zu trocken und zu heiß. „Er wird sich wohl unter den zehn heißesten Julimonaten seit Beginn der Aufzeichnungen einreihen“, weiß Hans Ressl von der Abteilung Klima der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (Zamg) in Wien. „Wahrscheinlich irgendwo zwischen den vier heißesten Julimonaten 2015, 2006, 1983 und 2013/1994.“

Und heiß ist es nicht nur in den Städten und Tälern – auf den Gipfeln ist es im Schnitt um 1,6 Grad zu warm, im alpinen Bereich Westösterreichs, ja bis hin zum Wechselgebiet, sogar bis zu 2,5 Grad, weiß die Zamg. Außerdem lassen auch die Niederschläge zu wünschen übrig: Trotz des für das kommende Wochenende angekündigten Regens wird es wohl um 40 Prozent weniger Niederschlag als in einem normalen Juli geben.

Angespannte Situation in den Alpen

Auf den Vorarlberger Almen war die Situation deshalb schon sehr angespannt. „Der Grundwasserspiegel sinkt, das Gras wird braun. Einzelne Almen müssen bereits mit Wasser versorgt werden“, erklärte Landwirtschaftskammer-Präsident Josef Moosbrugger, der von zunehmenden Wetterextremen spricht, vor wenigen Tagen „Für eine echte Entspannung müsste es drei Tage durchregnen“. Hoffnung setzen die Bauern auf das Wochenende mit angekündigten 80 bis 100 Liter Regen – wodurch jedoch gleichermaßen die Gefahr von Muren steigt. Doch schon im August dürfte es dann heiß und trocken weitergehen, vermuten die Meteorologen.

Der Sommer 2022 hat den Gletscherschwund noch vorangetrieben. „Für die Gletscher gab es heuer einen perfekten Sturm an negativen Einflüssen“, fasst es der Salzburger Forscher Ingo Hartmeyer von Georesearch zusammen. Starke Windverfrachtungen auf den Gletschern, der Saharastaub und hohe Temperaturen haben ihren Beitrag geleistet. Der Permafrostrückgang werde künftig in Kombination mit dem Abschmelzen von Gletschern öfter dafür sorgen, dass Steinschläge und Felsstürze in Regionen über 3000 Metern zunehmen. „Wir werden uns darauf einstellen müssen, dass sommerliche Niederschlagszellen große Schäden anrichten werden“, so der Geomorphologe.

„Für die wilde Natur sehe ich keine Gefahr – der Mensch ist der Verwundbare“, meint wiederum der Schweizer Botaniker Christian Körner, wenn er über den Klimawandel spricht. Er untersucht mit seinem Team im Rahmen eines Langzeitmonitorings die Folgen der Erderwärmung im Nationalpark Hohe Tauern. Fazit: Wird es den Pflanzen zu warm, wandern sie nach oben. „Die Mikrohabitate verschieben sich parallel zur Klimaerwärmung.“ Dass es nach oben zu einmal eng wird, das glaubt der Forscher nicht.

Mensch zur Anpassung gezwungen

Zur Anpassung wird allerdings nicht nur die Natur, sondern auch der Mensch gezwungen. „Menschen, die ihre Arbeitsplätze in den Bergen haben, werden vor große Herausforderungen gestellt“, erklärt Alpenvereinsgeschäftsführer Michael Larcher.

Gletscher-Skigebiete stehen damit vor großen Herausforderungen, worin manche jedoch auch eine Chance sehen – „für die stetige Weiterentwicklung der eigenen Unternehmen in Bezug auf Nachhaltigkeit und Optimierung der Ressourcen“, so Matthias Dengg von der Geschäftsführung der Hintertuxer Gletscher. Die Gletscherschmelze sei kein Prozess, der plötzlich passiert. „Wir haben uns im Großen und Ganzen angepasst.“