Im ersten Pandemiejahr 2020 hat es in der Europäischen Union 32 Millionen Unfälle gegeben. Dabei starben 154.000 Menschen. Unfälle sind somit die fünfthäufigste Todesursache in der EU, so die Bilanz von Experten bei der vom Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV) organisierten Konferenz für Unfallprävention, der EU-Safety. Dabei werden Ursachen, Lösungsansätze und aktuelle Trends des aktuellen Unfallgeschehens diskutiert, hieß bei einer Pressekonferenz.

Vor Corona hatte es rund 39 Millionen Unfälle pro Jahr gegeben. Die Safety-Konferenz findet Donnerstag und Freitag in Wien statt. Handlungsbedarf besteht, auch Österreich hat aktuell keine nationalen Aktionspläne zur nachhaltigen Unfallprävention, kritisierten Experten.

Unfälle verursachen mehr als drei Prozent aller Todesfälle in der EU. Bei Kindern und Jugendlichen im Alter von ein bis 19 Jahren sind Unfälle sogar die häufigste Todesursache. Der überwiegende Anteil aller spitalsbehandelten Unfälle (über drei Viertel) ereignet sich im Haushalts- und Freizeitbereich.

Freizeitunfälle: Es fehlt an Prävention

Im Bereich der Verkehrs- und Arbeitssicherheit ist das Engagement der meisten europäischen Länder groß – zu Recht und mit nachweisbaren Erfolgen, betonten die Experten. Der Prävention von Unfällen im Privatbereich hingegen wird deutlich weniger Aufmerksamkeit entgegengebracht. Sie stehen nur im Ausnahmefall auf den nationalen Agenden für die öffentliche Gesundheit – trotz steigender Zahlen. "In vielen europäischen Ländern – auch in Österreich – wären durch nationale Aktionsprogramme mit gezielten Präventionsmaßnahmen erhebliche Verbesserungen in der Mortalität und Morbidität von Unfällen möglich, insbesondere bei Unfällen zu Hause und in der Freizeit", betonte Othmar Thann, Direktor des KFV. Aktuell verfügen lediglich drei Länder in Europa – die Schweiz, die Niederlande und Finnland – über einen umfassenden nationalen Aktionsplan.

Als Gamechanger könnte digitale Prävention fungieren. In einer Befragung ist das KFV den Einschätzungen 42 internationaler Expertinnen und Experten aus den Bereichen KI, Robotik und Unfallprävention auf den Grund gegangen. Deren einhellige Meinung: Bis zum Jahr 2030 könnten bis zu 25 Prozent aller Unfälle in Haushalt, Freizeit und Sport durch künstliche Intelligenz und Robotik verhindert werden.

Um dieses vermeintliche Potenzial künstlicher Intelligenz im Bereich der Unfallprävention in der Praxis zu überprüfen, haben das KFV und die FH-Hagenberg einen Praxisversuch gestartet. "Im Zuge einer experimentellen Studie wurde ein KI-Präventionsberater entwickelt, der mittels 'Deep Learning Language Models' Unfallszenarien interpretieren und daraus individuelle Präventionstipps ableitet", erläuterte der Leiter des Digital Media Department am FH Oberösterreich Campus Hagenberg. Vorläufige Ergebnisse seien vielversprechend und deuten darauf hin, dass neuere Deep-Learning-Sprachmodelle in der Lage sind, große Mengen von Unfalldaten in Textform automatisch zu analysieren, um evidenzbasierte Strategien und Richtlinien zur Verletzungsprävention zu unterstützen, sagte der Experte.

Skepsis gegenüber Robotern

Auch wenn KI- und Robotik-Anwendungen das Potenzial haben, die Sicherheit unserer Lebenswelten zu steigern, sind nicht alle dafür. Befragungen des KFV zeigen, dass zwar mit 56 Prozent die Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher KI und Robotik als Chance sieht. Der Grad an Akzeptanz hängt jedoch stark vom jeweiligen Einsatzbereich ab. So würden sich 71 Prozent der Befragten von Robotern Auskunft geben und 66 Prozent die Gartenarbeit erledigen lassen. Hingegen kommt die Beaufsichtigung der eigenen Kinder nur für eine Minderheit von elf Prozent infrage.

Insgesamt zeigt sich, dass KI und Robotik in den Bereichen Haushalt (78 Prozent Befürwortung), Arbeit (75 Prozent) sowie Sport und Freizeit (64 Prozent) stärkere Akzeptanz entgegengebracht wird als im Verkehr (57 Prozent) und Gesundheitswesen (51 Prozent). "Diese Ergebnisse haben uns überrascht, denn: Gerade im Mobilitätssektor sind die Fortschritte im Bereich der Automatisierung enorm und ihre Implementierung längst im Gange", sagte Klaus Robatsch, Leiter des Bereichs Verkehrssicherheit im KFV.

Im Bereich der Verkehrssicherheit spielen moderne Fahrzeugtechnologien eine wichtige Rolle. Damit Fahrerassistenzsysteme ihr volles Potenzial entfalten können, müssen jedoch die Lenkenden mit der Funktionsweise sowie den Grenzen der verschiedenen Systeme vertraut sein. Befragungen des KFV zeigen, dass sich etwa 40 Prozent der österreichischen Bevölkerung bezüglich der Handhabung von Fahrerassistenzsystemen nicht ausreichend informiert führt. "Hier besteht massiver Aufholbedarf, denn Systeme, die schwierig zu bedienen sind, können zu unsicheren Fahrmanövern führen oder werden gleich von vornherein abgelehnt", sagte Robatsch.