Wieder zeigt eine Studie auf, dass Kinder und Jugendliche besonders unter den Folgen der Pandemie leiden. Vor allem die Altersgruppe der 15- bis 25-Jährigen bereitet Sorgen: Weltweit und auch in Österreich zeigt sie die höchste Rate an psychischen Belastungen in der Pandemie. Das ist eines der Ergebnisse einer internationalen Studie, an der mehr als 70 Wissenschaftler aus 21 Ländern beteiligt waren.

Experten fordern deshalb, besonderes Augenmerk auf den Ausbau der psychosozialen Versorgung zu legen: "Kinder und Jugendliche können auch nicht unabhängig von den Familien, in denen sie aufwachsen, betrachtet werden", erklärt Paul Plener, Leiter der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Wien und Mitautor der Studie. "Und so sind steigende Raten an Arbeitslosigkeit oder Suchterkrankungen bei Erwachsenen immer auch ein Phänomen, das sich in Familien auf die psychische Gesundheit der Kinder auswirkt", sagt Plener.

Sozialer Rückzug, Essstörungen

Auch Martina Leibovici-Mühlberger, Ärztin, Psychotherapeutin und Erziehungsexpertin, bestätigt dies. Die häufigsten Anfragen, die sie und ihr Team derzeit bekommen, beträfen Teenager-Probleme, auch gravierende wie sozialer Rückzug bis hin zu Essstörungen. Auf ihrer Webseite bietet sie kostenlose Webinare auch zu diesem Thema an. Und sie antwortet den Leserinnen und Lesern der Kleinen Zeitung regelmäßig im Family-Talk auf deren Fragen. Der nächste Talk ist am Freitag um 19.30Uhr, nähere Informationen gibt es >> hier <<.

Suizid-Rate ist gesunken

Zurück zur internationalen Studie, die auch Positives aufzeigt. So sei die allgemeine Suizidrate während der seit März 2020 andauernden Covid-19-Pandemie weltweit gesunken. Dies bestätigt sich auch für Österreich: Hier gab es 2020 um vier Prozent weniger Suizide als im Jahr davor. Das decke sich mit dem internationalen Trend, sagt Thomas Niederkrotenthaler vom Zentrum für Public Health (Abteilung für Sozial- und Präventivmedizin). Im Durchschnitt sind die gezeigten Trends ‒ die Suizidrate in der Gesamtbevölkerung wie auch die psychischen Belastungen der jungen Generation ‒ in allen untersuchten Ländern ähnlich.

Zwar stellten die Forscher einen Anstieg etwa von Depressionen oder Angstzuständen in der Bevölkerung fest. Dass die Suizidrate trotzdem nicht gestiegen ist, führen die Experten der MedUni Wien auf rasche soziale, gesundheitsfördernde und andere unterstützende Maßnahmen zurück. Etwa psychotherapeutische Behandlung auf Krankenschein und online, der Ausbau von telefonischer Krisenintervention, gezielte Förderungsprogramme am Arbeitsmarkt sowie Solidarisierungseffekte wie Nachbarschaftshilfe in der Bevölkerung. Ähnliche Effekte habe man zum Beispiel auch in der ersten Phase nach Umweltkatastrophen oder auch nach Terroranschlägen gesehen.

Doch Anstieg an Suiziden droht

Jetzt seien aber, so Niederkrotenthaler, "Ermüdungseffekte" in der Gesellschaft zu bemerken, die man wachsam beobachten müsse, "damit die hohen psychischen Belastungen weder jetzt noch dann, wenn die Pandemie abklingt, auf die Suizidrate durchschlagen". Daher brauche es  schon jetzt langfristige Unterstützungsprogramme, etwa am Arbeitsmarkt und auch gesundheitsfördernde Maßnahmen. So seien insbesondere Menschen in den Gesundheitsberufen, Menschen mit psychischen Erkrankungen und sozial marginalisierte Gruppen sowie eben Schüler und Studierende derzeit stark belastet.