Rom hat gesprochen – und sich damit teils harsche Kritik eingehandelt. Konkret geht es um eine Instruktion, die die vatikanische Kleruskongregation am Montag veröffentlicht hat. Titel: „Die pastorale Umkehr der Pfarrgemeinde im Dienst an der missionarischen Sendung der Kirche“.

Sie versteht sich als Antwort auf Reformprozesse, die Diözesen weltweit in den vergangenen Jahren eingeleitet haben. Pastoraltheologe Johann Pock sieht für den deutschsprachigen Raum den zunehmenden Priestermangel als grundlegenden Auslöser dieser Neustrukturierung: „Fast alle bezeichnen diese als geistlichen Prozess. Ohne Priestermangel hätte aber kaum eine Diözese so einen Strukturprozess begonnen.“ Mit dem neuen Papier verweist nun der Vatikan jedoch auf das Kirchenrecht und die Position des Pfarrers – an der bis auf Weiteres nichts geändert werden soll.

„Das neue Dokument bringt nichts fundamental Neues“, analysiert der Wiener Kirchenrechtler Andreas Kowatsch. Es rufe lediglich rechtliche Voraussetzungen in Erinnerung. „Rom zieht damit eine Grenze, die manche bisherigen Reformschritte kritisch infrage stellen könnte.“ Eine pastoral verantwortete Reform heiße also nicht in erster Linie, „Laien für die Mitarbeit am Dienst des Priesters“ zu suchen, sondern ermögliche „das Leben aus der Taufe im Dienst für die Gemeinschaft“. Wobei Kowatsch, selbst Priester, betont: „Ein rein klerikales Konzept der Kirche, das vom Pfarrer oder vom Bischof bzw. Papst her denkt, gehört in die Mottenkiste der Geschichte.“

Kritischer beurteilen wiederum bekannte Pastoraltheologen das neue römische Schreiben. So meint etwa Paul Zulehner – er ist ebenso Priester: „Es wird zwar die Verantwortung des ganzen Gottesvolkes rhetorisch beschworen, aber wenn es um die Entscheidungsmacht geht, bleibt das Dokument munter klerikal.“ Eine Formulierung schmerze dabei besonders: „Wegen ihres Hirtendienstes sind Pfarrer (und andere Priester) zusammen mit dem Bischof an erster Stelle der grundlegende Bezugspunkt für die Pfarrgemeinde“, so der langjährige Lehrstuhlinhaber an der Uni Wien weiter. Die Instruktion verhindere durch diese „Kränkung vieler engagierter Laien, was sie erreichen wollte: die pastorale Umkehr vieler Kirchenmitglieder“.

Positiv beurteilt Zulehner hingegen die Stärkung gewachsener Pfarrgemeinden: „Pfarrgemeinden dürfen nicht Opfer flächendeckender diözesaner Strukturpläne werden.“ Das deutsche Bistum Trier beispielsweise musste zuletzt seine Reform stoppen: Diese sah eine großflächige Zusammenlegung von Pfarren vor.

In Österreich haben sich etwa die Erzdiözese Wien und die Diözese Linz für die Zusammenlegung von Pfarren entschieden, der Reformplan der Diözese Graz-Seckau beispielsweise sieht wiederum das Zusammenfassen mehrerer Pfarren in einem Seelsorgeraum vor.
Pastoraltheologe Pock kritisiert an dem Papier vorrangig das Festschreiben eines „hierarchischen Kirchenbildes“: Es zeuge von einer „tiefen Missachtung der realen Situation von Seelsorge und Pfarrgemeinden gerade in den deutschsprachigen Ländern“. Seiner Beobachtung nach sei es deshalb auch ein Rückschritt hinter das Zweite Vatikanische Konzil. Die Diözesanleitungen – sprich die Bischöfe – seien angesichts der neuen Instruktion aus Rom Verlierer, da ihr Reformeifer eingebremst werde, ebenso wie haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter in den Pfarren und die Pfarre selbst, „denen unmögliche Rahmenbedingungen aufgedrückt werden“. Zudem werde damit die Überforderung von Priestern in Kauf genommen, die für Seelsorge, Leitung, Mission oder Evangelisierung zuständig seien.

Kritik aus Deutschland

Noch schärfere Kritik am Vatikan kommt übrigens von deutschen Theologen. Für Kirchenrechtler Thomas Schüller beispielsweise beantwortet das Papier „Fragen von heute mit Antworten von gestern“. Und Religionspädagoge Albert Biesinger von der Uni Tübingen meint: „Mit diesen Vorgaben ist der Abbau der Kirche in der Fläche vorprogrammiert.“ Die katholische Kirche in Deutschland startete Ende des Vorjahres einen „Synodalen Weg“, bei dem zuerst Priester und Laien gemeinsam über Dauerbrenner wie Zölibat und Frauenpriestertum diskutieren und abstimmen wollten. Wenig später pfiff Rom Deutschland zurück.