Geschlossene Einrichtungen und der beschränkt verfügbare öffentliche Raum stellen die Sozialarbeit der Stadt derzeit vor besondere Herausforderungen. Seit über einem Monat befinden sich etwa die rund 300 Mitarbeiter*innen der Wiener Jugendzentren im Home Office und können ihre Hilfe nur noch per Telefon bzw. online anbieten. Das alles in einer Zeit, in der der Ruf nach Unterstützung spürbar lauter wird: “Wir merken zusehends, dass den Jugendlichen die Decke auf den Kopf fällt”, sagt Geschäftsführerin Ilkim Erdost.

Die Jugendlichen zu erreichen, ist durch das derzeit beschränkt verfügbare Angebot schwieriger geworden: “Von jenen 10.000, die regelmäßig in unsere Einrichtungen gekommen sind, stehen wir aber mit über der Hälfte in Kontakt”, sagt Erdost. Viele benötigen Hilfe bei der Bewältigung ihres neuen Schulalltags, haben ihren Job oder ihre Ausbildungsstätte verloren: “Damit sind mitunter Existenzängste verbunden, die wir versuchen, in der Beratung abzufedern.”

Es geht in den Gesprächen momentan aber auch oft um Alltagsfragen. Wie kann ich mich beschäftigen? Wie kann ich mich bewegen? Wie kann ich meinen Tag strukturieren? Hier versuchen die Jugendarbeiter*innen mit einem spielerischen Angebot Abhilfe zu schaffen, sind da, um zu plaudern und zu informieren. Letzteres sei aufgrund der sich verändernden Vorschriften, aber auch wegen vorherrschender Verschwörungstheorien über den Ursprung des Corona-Virus eine elementare Aufgabe in den letzten Wochen geworden, sagt Erdost: “Da kursieren die wildesten Geschichten, wie zum Beispiel, dass manche Religionsgruppen dagegen immun seien, wenn sie gewisse Rituale vollziehen. Mit Aufklärungsarbeit haben wir alle Hände voll zu tun.”

Strafen der Polizei beschäftigen die Jugendarbeiter*innen ebenfalls vermehrt. Aufgrund vermeintlicher Verstöße gegen die Regeln im öffentlichen Raum treten Jugendliche immer öfter an die Jugendzentren heran. Teilweise liegen die Strafen bei 500 Euro und darüber. “Normalerweise arbeiten wir mit der Exekutive sehr eng zusammen, nichtsdestotrotz wurden sehr viele Jugendliche gestraft”, sagt Erdost, deren Mitarbeiter*innen die Jugendlichen dabei beraten, um Anzeigen gegebenenfalls zu beeinspruchen. 

David Schwarz, der mit dem Club Nautilus in der Großfeldsiedlung in Floridsdorf eines der größten Jugendzentren Wiens (Bild oben) leitet, führt die Anzahl der Strafen auch auf eine gestiegene Bereitschaft zur Denunziation zurück: “Es passiert jetzt sehr schnell, dass irgendjemand anruft und sagt, ich habe da unten jemanden gesehen.” 

Wiens Polizeipräsident Gerhard Pürstl beteuerte zuletzt im ORF-Interview, dass die Polizei den “Weg der Deeskalation und des Dialogs gehe” und es nur dann zur Anzeige kommt, wenn jemand klar zu erkennen gibt, die Vorschriften nicht einhalten zu wollen. Dafür würden Jugendliche aber verhältnismäßig oft bestraft, findet Erdost: “Eine Strafe sollte wirklich nur im absoluten Ausnahmefall ausgestellt werden. Das halte ich auch aus pädagogischer Sicht für das richtige Konzept. Jugendliche lernen und vertrauen dadurch, dass sie mit Staatsorganen im Gespräch bleiben. Ich weiß natürlich, dass es auch jene Personen gibt, die sich auch nach wiederholter Aufklärung nicht eines Besseren belehren lassen. An denen möchte ich aber keine generelle Strategie messen."