In einem Prozess um die Vergewaltigung einer 15-Jährigen in Tulln sind am Dienstag in St. Pölten zwei 19-Jährige vor Gericht gestanden. Die Angeklagten bekannten sich laut ihren Verteidigerinnen nicht schuldig, nach Angaben der beiden Asylwerber soll der Geschlechtsverkehr einvernehmlich gewesen sein. Die Öffentlichkeit wurde nach den Eröffnungsvorträgen von der Schöffenverhandlung ausgeschlossen.

Am späten Nachmittag fiel am Dienstag bereits das Urteil: Beide Asylwerber wurden freigesprochen! Der Schöffensenat habe im Zweifel für die Angeklagten entschieden, sagte der vorsitzende Richter. Die Staatsanwaltschaft meldete Nichtigkeitsbeschwerde an, damit sind die Urteile nicht rechtskräftig.

Der Schöffensenat habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, hielt der vorsitzende Richter fest. Zwei Mitglieder des Senats seien demnach für einen Freispruch und zwei für einen Schuldspruch gewesen. In den Aussagen in den fünf Befragungen der 15-Jährigen habe man Widersprüche in Details sowie zum Gesamtgeschehen erkannt, sagte der Richter in der Urteilsbegründung. Die beiden 19-Jährigen wurden in Folge enthaftet.

Mädchen widersprach sich

Der Vorfall habe sich "sicher nicht wie in der Anklageschrift" zugetragen, sagte der Richter am Dienstag nach zwei Freisprüchen im Zweifel im St. Pöltener Prozess um Vergewaltigung. Der gesamte Schöffensenat gehe davon aus, dass es wohl zunächst zu einem "mehr oder weniger freundschaftlichen Treffen" zwischen den drei oder vier Beteiligten gekommen sei, bei dem auch ein Joint im Spiel gewesen sei.

Der Richter verwies in diesem Zusammenhang auf die Aussage einer Zeugin, wonach die 15-Jährige Drogen gekauft habe. Es sei daher lebensnaher erschienen, dass die beiden 19-Jährigen - wie von ihnen angegeben - von dem Mädchen Marihuana bekommen hätten.

Die Staatsanwaltschaft habe zur Aufklärung der Straftat "alle Register gezogen", verwies der Richter in seiner ausführlichen Urteilsbegründung auch auf die durchgeführte Massen-DNA. Es sei dem Schöffensenat "sehr wohl aufgefallen, dass extreme Widersprüche in der Aussage des Erstangeklagten existiert haben", sagte er.

Es seien bei der 15-Jährigen "eindeutige Verletzungsspuren diagnostiziert" worden - Kratzspuren am Rücken, an Knien und Oberschenkeln sowie eine Rötung am Kinn. Dies würde dafür sprechen, dass sich der Vorfall so wie in der Anklageschrift zugetragen habe. Allerdings habe nicht ausgeschlossen werden können, dass das ganze freiwillig erfolgt sei. Ein subjektives Erkennen der Angeklagten, dass sie einen Widerstand der 15-Jährigen zu überwinden hatten, habe demnach nicht nachgewiesen werden können.

Unterschiedliche Aussagen in den fünf Einvernahmen des Mädchens gab es nach Ansicht des Schöffensenats zum Beispiel zum Ablauf des Geschehens - etwa, ob es zwei oder drei Männer gewesen seien. Außerdem habe es Widersprüche in Bezug auf den Umstand gegeben, wie die beiden Angeklagten in den Besitz der Mobiltelefonnummer des Mädchens gekommen seien.

Auf Heimweg passiert

Als sich die 15-Jährige am 25. April 2017 gegen 22.30 Uhr auf den Weg vom Bahnhof Tulln zur Wohnung ihres Vaters gemacht hatte, sollen die beiden zum Tatzeitpunkt 18-Jährigen dem Mädchen nachgegangen und es eingeholt haben. Der Zweitangeklagte aus Somalia soll der 15-Jährigen einen Faustschlag versetzt haben. Gemeinsam mit einem unbekannten Dritten soll das Duo sie auf einen Sportplatz gebracht haben, wo es laut Anklage zweimal zur Penetration - durch den Somalier und einen weiteren Täter - kam.

Die 15-Jährige hatte sich der Staatsanwaltschaft zufolge befreien und davonlaufen können, war in Folge aber erneut eingeholt und auf einem nahen Grundstück vom Erstangeklagten aus Afghanistan vergewaltigt worden. Die Betroffene hatte sich losreißen können, war nach Hause gelaufen und anschließend ins Krankenhaus gekommen. Sie hatte laut der Staatsanwältin Kratzspuren, zudem waren Spermaspuren der beiden Angeklagten sichergestellt worden.

"Wie aus schlechtem Film"

Auch wenn das Geschehen "wie aus einem schlechten Film" wirke, sei es glaubwürdig, sagte die Staatsanwältin. Die 15-Jährige habe eine schwierige Kindheit gehabt, es gebe laut einem Sachverständigengutachten zur Glaubhaftigkeit aber keine Hinweise auf Fremdsuggestion - das Mädchen sage also die Wahrheit, führte die Anklägerin aus. Es habe bei mehreren Einvernahmen die Geschichte im Kern gleich erzählt, auch wenn es sich an manche Details nicht mehr erinnern könne. Zudem habe die Polizei Handys der Angeklagten und der 15-Jährigen sowie die Angaben der Örtlichkeiten des Tatgeschehens überprüft. Privatbeteiligten-Vertreter Ewald Stadler machte Schmerzensgeld-Ansprüche in Höhe von 15.400 Euro geltend.

Beide Beschuldigten waren im April des Vorjahres im Containerdorf Tulln untergebracht gewesen, sie wurden beim Prozess aus der U-Haft vorgeführt. Die Verteidigerin des Erstbeschuldigten berichtete, ihr Mandant sei mit 16 Jahren aus Afghanistan geflohen. "Er wollte sich integrieren und hat einen Deutschkurs besucht", auch in einem Verein sei er aktiv gewesen. Nach Angaben der beiden Angeklagten hatten sie gemeinsam mit der 15-Jährigen Marihuana geraucht und geredet, bevor es zum "einvernehmlichen Geschlechtsverkehr" gekommen sei. Die Verteidigerin des Zweitangeklagten forderte einen Freispruch und betonte: "Die 15-Jährige kann sich an wesentliche Details nicht erinnern." Die Betroffene leide an einer psychischen Erkrankung und habe zum Tatzeitpunkt einen "Medikamentencocktail intus" gehabt.

Durch DNA-Test ausgeforscht

Das Duo war durch einen Massen-DNA-Test ausgeforscht und in Folge festgenommen worden. 65 Männer hatten über Anordnung der Staatsanwaltschaft DNA-Proben abgeben müssen. Nach der Festnahme der beiden Verdächtigen hatte der Tullner Bürgermeister Peter Eisenschenk (ÖVP) bis zur endgültigen Klärung der Causa einen Aufnahmestopp für die Zuteilung neuer Asylwerber erlassen.