"Ich war mit meinem ersten Kind in einem Café, es war gerade drei Monate alt, und ich habe es gestillt. Da kam ein Mann her und hat gefragt, ob er auch mal ran darf": Davon erzählt eine junge Mutter, die lieber anonym bleiben möchte, auf die Frage hin, warum sie heute in Wien beim ersten österreichweiten "Still-In" teilnimmt. "Ich war in dieser Situation so überrumpelt, dass ich gar nicht wusste, was ich darauf sagen soll." 

Ähnlich überrumpelt hat sich eine andere Mutter, Manuela Tymciw gefühlt, als sie in einem Restaurant von der Kellnerin aufgefordert wurde, sich zum Stillen hinter einem Vorhang zurückzuziehen, um die anderen Gäste nicht zu stören. "Es waren drei andere Gäste im Lokal, ich hätte niemanden gestört und man sieht auch nichts. Das Kind muss einfach essen. Ich war sehr perplex in dem Moment und konnte eigentlich gar nichts antworten." Die junge Mutter hat das Restaurant daraufhin verlassen, um ihr Baby woanders zu stillen. "Ich bereue das leider jetzt sehr, aber in dem Moment ist man einfach überfordert, man ist das erste Mal Mutter und dann kommt so etwas."

Trotz Wolken: Erster "Still-In" konnte stattfinden 

Auch wenn das Wetter für eine öffentliche Still-Aktion besser hätte sein können, haben sich am Montagnachmittag einige Mütter zum ersten österreichweiten "Still-In" eingefunden. Initiiert wurde die Aktion von der Hebamme Christina Ruthofer gemeinsam mit "MAM Babyartikel". Sie sagt: "Tatsächlich ist es ganz oft ein Thema, wenn Frauen in der Öffentlichkeit stillen, dass sie negative Kommentare oder unangebrachte Blicke bekommen. Das ist leider im Jahr 2022 noch immer ein Thema, für das wir jetzt hier auf der Straße stehen und ein Still-In veranstalten müssen."

Der erste österreichweite "Still-In" am Heldenplatz in Wien.
Der erste österreichweite "Still-In" am Heldenplatz in Wien. © Herrmann

Hintergrund der Aktion war eine Umfrage mit 1900 Frauen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, die zum Ergebnis hatte, dass von den 74 Prozent der Befragten, die stillen oder gerne gestillt haben, zwei Drittel negative Reaktionen einstecken mussten, wenn sie in der Öffentlichkeit gestillt haben. "Wir wollten da unsere Plattform nutzen, um dem Ganzen eine breitere Basis zu geben und auf einige der Missstände hinzuweisen", sagt Georg Ribarov vom Babyartikel-Hersteller "MAM Baby".

Gegen die Tabuisierung von Stillen in der Öffentlichkeit

"Tatsächlich ist es so, dass auf die Bedürfnisse eines Babys, besonders eines Neugeborenen, prompt reagiert werden muss", erklärt Hebamme Christina Ruthofer. "Das heißt, wenn die Mama gerade in der Straßenbahn unterwegs ist, dann muss halt dort die Brust her."

Nicht alle der anwesenden Mütter haben schlechte Erfahrungen mit dem Stillen in der Öffentlichkeit machen müssen. "Ich selbst habe Gott sei Dank noch nichts Grobes erlebt", berichtet zum Beispiel Victoria Hofbauer. Verzichten kann sie dennoch auf die Blicke, die sie bekommt, wenn sie ihr Baby öffentlich stillt. "Das alleine sollte einfach abgestellt werden. Man muss da nicht hinstarren, wenn ein Baby etwas zu essen bekommt." Eine andere Mutter, Katrin Herret, fügt hinzu: "Es ist einfach immer noch ein Thema, auch die Brust wird immer noch sexualisiert, obwohl man sein Kind einfach nur füttern möchte."