Guten Morgen, liebe Leserinnen, liebe Leser!

Neulich, bei der knapp einstündigen Innenpolitikrunde auf ATV, wo der unermüdliche Meinrad Knapp ohne Moderatorenkarte eine ganz Stunde lang durch die Highlights der Woche führt, wurde ich – zum wievielten Mal eigentlich? – mit der Frage konfrontiert, wie lange die Grünen noch an der Koalition festhalten würden. Meine Antwort war eine simple: "Ich gehe davon aus, dass Sie mir in den nächsten eineinhalb Jahren immer wieder diese Fragen stellen werden."

Will heißen: Die Grünen sind die Letzten, die die Koalition verlassen werden. Als Juniorpartner haben sie eine dicke grüne Handschrift hinterlassen (CO2-Steuer, Klimabonus, Klimaticket, Dosenpfand, Indexierung aller Sozialausgaben, Lobau-Veto, Parteientransparenz, etc.), bei vorgezogenen Neuwahlen droht der Wechsel auf die Oppositionsbank, die ÖVP wird wohl alles unternehmen, notfalls auch als Juniorpartner der nächsten Regierung anzugehören. Ob eine Dreier- oder Viererkoalition bestehend aus SPÖ, Neos, Grünen, Bierpartei für die Grünen, die der ÖVP fortlaufend Zugeständnisse abringen können, so erstrebenswert ist? Offen ist, ob Werner Kogler neuerlich die Grünen in die Wahl führen wird. Ob sich Leonore Gewessler, die als Kogler-Nachfolgerin gehandelt wird, mit der Rolle der Oppositionschefin begnügen würde?

Auch die ÖVP wird bis zum bitteren Ende an der Koalition festhalten. Karl Nehammer holte den umstrittenen Kommunikationschef seines Vorvorgängers Sebastian Kurz, Gerald Fleischmann, an Bord, damit dieser den amtierenden Kanzler für die nächste Wahl in Stellung bringt. Das ist jedenfalls der Plan. Dem Vernehmen nach soll sich Nehammer in den ersten Monaten seiner Regentschaft um ein gutes Einvernehmen mit Wiens Bürgermeister Michael Ludwig bemüht haben, sollten nach der nächsten Wahl nur noch ÖVP und SPÖ eine Mehrheit besitzen. Seit der Notoperation um die Wien-Energie Ende August hat sich das Verhältnis merklich abgekühlt. Die von der Koalition genüsslich ausgewalzte Version, der Bund habe die Bundeshauptstadt davor bewahrt, dass "in Wien die Lichter ausgehen", habe die Wiener SPÖ auf die Palme getrieben.

Kanzler und Vizekanzler tragen sich offenbar mit dem Gedanken, am Mittwoch im Umfeld des Ministerrats die Medien zu einem längeren Hintergrundgespräch einzuladen. Damit soll deutlich gemacht werden, dass ÖVP und Grüne trotz aller Turbulenzen um Schengen-Veto oder Zaun-Narrativ bis zum bitteren Ende an der Koalition festhalten wollen. Neuerdings tischt man eine neue Erzählung, die alle Zweifler zum Schweigen bringen soll, auf. "Es mag sein, dass viele mit der Arbeit der Regierung unzufrieden sind", vernimmt man. "Es gibt aber niemanden in der Bevölkerung, der in den nächsten Monaten Neuwahlen will." Ob Kanzler und Vizekanzler den koalitionären Weihnachtsfrieden morgen verkünden würden, hänge auch vom dichten Terminkalender ab. Bei der Klausur am 10. und 11. Jänner soll, wie es heißt, "das letzte Drittel" der Legislaturperiode eingeläutet werden.

Die Klausur soll in Niederösterreich über die Bühne gehen, um den Ende Jänner stattfindenden Landtagswahlen Rückenwind zu verschaffen. Die niederösterreichische ÖVP plagt andere Sorgen. Die unglaublichen Enthüllungen über die Versuche des früheren Chefredakteurs und jetzigen niederösterreichischen ORF-Landesdirektors Robert Ziegler, die Berichterstattung in "Niederösterreich heute" politisch gleichzuschalten, treffen die Landes-ÖVP ins Mark. Nun soll die langjährige ORF-Moderatorin Ingrid Thurnher interimistisch die redaktionelle Leitung übernehmen. Ziegler folgte in der Funktion als Chefredakteur 2015 der Grazerin Christiane Teschl nach, die von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner als ÖVP-Landesrätin in die Regierung geholt wurde. Teschls Vater war übrigens begnadeter Motorsport-Redakteur bei der legendären Tagespost und später Pressesprecher von Magna.

Die politische Willfährigkeit mancher (nicht aller) ORF-Landesstudios zählte bisher zu den großen medien- und demokratiepolitischen Tabus des Landes. Wer sich einen Überblick über die "Message Control" verschaffen will, muss nur einmal um 19 Uhr auf ORF 2 durch alle Bundesländer zappen. Nicht nur einmal ist es vorgekommen, dass bei bundespolitischen Terminen, an denen Landeshauptleute mitgewirkt haben, die Landesstudios andere Berichte ausgestrahlt haben als die ZiB 1. Ein Landeshauptmann enthüllte einmal zu fortgeschrittener Stunde, der ehemalige ORF-Generaldirektor habe seinen Antrittsbesuch mit der Frage begonnen, wen er, der Landeshauptmann, sich als Chefredakteur wünschen würde. "Ich habe gedacht, Sie entscheiden das", soll der Landeshauptmann den ORF-Chef angeblafft haben. Eine schier unhaltbare Praxis, die von einem absolutistischen Selbstverständnis in Politik und Medien geprägt ist.

Einen Dienstag, der nicht in einen vorweihnachtlichen Kaufrausch mündet,