Und wieder hat die Realität eine Lichtgestalt vor aller Augen abmontiert: Erst wenige Monate ist es her, dass Joe Biden bei seiner ersten Europa-Reise als US-Präsident gefeiert wurde. „Amerika ist zurück“, lautete die Botschaft im Sommer, was nach den konfliktreichen Jahren mit Trump für Erleichterung sorgte. Seit gestern Abend ist Joe Biden wieder da – er sprach zunächst mit dem Papst und absolviert von heute an einen Gipfel-Marathon, von den G20 in Rom bis zur Klimakonferenz in Glasgow.

Biden ist immer noch der freundliche ältere Herr, der uns die wüsten Tweets seines Vorgängers erspart und sich, anders als Trump, zu Klimaschutz und Kooperation bekennt. Doch eines ist mittlerweile amtlich: Auch Joe Biden konnte in den ersten zehn Monaten seiner Amtszeit nur einen Bruchteil dessen halten, was er versprach. Zu dieser Europa-Reise kommt der Demokrat mit leeren Händen und politisch ganz ordentlich zerzaust.

Es begann mit dem Fiasko, das der kaum koordinierte Abzug der US-Truppen aus Afghanistan auslöste, der den europäischen Nato-Partnern vor Augen führte, dass sie auch unter dem netten Herrn Biden in Sicherheitsfragen nicht gar so viel mitzureden haben. Es folgte der Streit mit Frankreich um den geplatzten U-Boot-Deal. Und in den letzten Tagen dann das böse Erwachen beim Thema Klimaschutz: Von dem groß angekündigten Infrastruktur-Projekt, mit dem Biden die USA grundlegend erneuern wollte, das die Klimawende der USA einleiten und die Abgehängten wieder mit an Bord holen sollte, bleibt wenig übrig.