Wir wollen sie lieber nicht sehen, die verzweifelten Frauen, Männer, Kinder, die aus Kriegsgebieten, vor Hunger, vor Verfolgung flüchten. Da kommen Ohnmachtsgefühle auf, das Gefühl helfen zu wollen und Angst. Was überwiegt? Angesichts der Millionen von Flüchtlingen überwiegen wohl Ohnmachtsgefühle. „Courage – Mut zur Menschlichkeit“ nennt sich eine der vielen Initiativen, die heute vor dem morgigen Weltflüchtlingstag für eine solidarische Asylpolitik wirbt. Also etwas mehr Mut und weniger Angst? Mut zur Menschlichkeit muss ja nicht offene Grenzen bedeuten. Denn natürlich hat der dänische Migrationsminister Mattias Tesfaye recht, wenn er sagt, der Wohlfahrtsstaat müsse geschützt werden. Die moralische Pflicht zur Hilfe endet also, wenn der eigene Wohlfahrtsstaat, das Rechtssystem, die politische Stabilität gefährdet werden? Wäre Mattias Tesfaye nicht das Kind eines Flüchtlings und Sozialdemokrat, würde er postwendend als zweiter Orban und widerlicher Unmensch ins rechte Eck gestellt. Irritierend ist es dennoch, dass das Kind eines Äthiopiers und ein Sozialdemokrat sich zu einem Egoismus aus Vernunft bekennt, über den kaum jemand zu sprechen wagt.