„Der weiße Hai“, „E.T.“, „Indiana Jones“, „Schindlers Liste“, „Lincoln“ – so produktiv, erfolgreich und abwechslungsreich wie Steven Spielberg ist kein anderer Hollywood-Regisseur. In einem Alter, in dem viele längst im Ruhestand sind, hat der Filmemacher jetzt Neuland betreten. Spielberg, der am Samstag (18. Dezember) 75 Jahre alt wird, hat mit „West Side Story“ das erste Film-Musical seiner langen Karriere inszeniert – und sich damit einen Kindheitstraum erfüllt.

Er sei elf Jahre alt gewesen, als seine Eltern eine Aufnahme von dem Broadway-Hit „West Side Story“ (1957) nach Hause gebracht hätten, erzählte der Regisseur Anfang Dezember der Zeitung „Boston Herald“. Mit Begeisterung habe er die Texte gelernt und die Lieder gesungen. Seine eigene Adaption, basierend auf dem Musical-Klassiker aus der Feder von Leonard Bernstein (Musik), Stephen Sondheim (Liedtexte) und Arthur Laurents (Buch), ist ab Freitag (17. Dezember) in den österreichischen Kinos zu sehen.

Romeo-und-Julia-Story

Die berühmte Romeo-und-Julia-Liebesgeschichte im New York der 1950er-Jahre dreht sich um verfeindete Jugendbanden und Rassismus, die weißen Jets gegen die Sharks mit ihren in Puerto Rico liegenden Wurzeln. In einer Nebenrolle castete Spielberg die aus Puerto Rico stammende Rita Moreno (90), die für den „West Side Story“-Film von 1961 als erster Latina-Star einen Oscar als beste Nebendarstellerin gewann.

Spielberg kam es nach eigenem Bekunden auf Diversität und Authentizität an. Sie hätten sehr viel Wert darauf gelegt, mit Latino-Schauspielern zu arbeiten, sagte er dem News-Service IGN. Aus Respekt für deren Sprache hätten sie die spanischen Dialoge bewusst nicht mit englischen Untertiteln versehen.

Während Filmkritiker „West Side Story“ gute Oscar-Chancen einräumen – die Verleihung findet Ende März statt –, arbeitet Spielberg längst an seinem nächsten Projekt. Mit dem autobiografisch geprägten Drama „The Fabelmans“ schaut der Sohn einer jüdischen Familie auf seine Kindheit zurück. Paul Dano („There Will Be Blood“) spielt eine Figur in Anlehnung an Spielbergs Vater, Michelle Williams („Manchester by the Sea“) die Mutterrolle, Newcomer Gabriel LaBelle mimt den jungen Spielberg.

Das Skript schrieb der Regisseur gemeinsam mit Autor Tony Kushner, der auch die Drehbücher für Spielberg-Filme wie „München“, „Lincoln“ und „West Side Story“ lieferte. Spielberg verbrachte in den 50er-Jahren Teile seiner Kindheit im US-Staat Arizona. Mit einer Super-8-mm-Filmkamera, einem Geschenk seines Vaters, drehte er schon als Teenager Filme. Spielbergs Vater war im vorigen Jahr mit 103 Jahren gestorben.

Als Regisseur und Produzent ist Spielberg unermüdlich. Vor „West Side Story“ brachte er den Sci-Fi-Thriller „Ready Player One“ (2018) über eine futuristische Online-Welt und das Mediendrama „Die Verlegerin“ (2017) mit Meryl Streep und Tom Hanks auf die Leinwand. „Ich werde bis an mein Lebensende Regie führen“, sagte der Oscar-Preisträger 2016 beim Filmfest in Cannes. Es sei eine tolle Arbeit voller Freude. Dort hatte er mit dem Fantasyfilm „BFG – Big Friendly Giant“ seinen 29. Spielfilm vorgestellt.

Einen Rückzieher von einem Herzensprojekt machte Spielberg aber doch. Nach vier „Indiana Jones“-Filmen war er 2020 von dem geplanten fünften Teil der Abenteuersaga abgesprungen. Den Job gab er an den jüngeren Kollegen James Mangold (57, „Walk the Line“) ab, als Produzent ist er aber weiter an Bord. Nach zig Aufschüben soll „Indiana Jones 5“ mit dem ergrauten Harrison Ford als Archäologie-Professor Henry Walton Jones 2023 in die Kinos kommen.

Spielberg ist siebenfacher Vater und seit Langem in zweiter Ehe mit der Schauspielerin Kate Capshaw (68, „Indiana Jones und der Tempel des Todes“) verheiratet. Ende der 1960er-Jahre hielt er mit dem Kurzfilm „Amblin“ in Hollywood Einzug. Nach einigen Lehrjahren als Regieassistent bei TV-Serien drehte Spielberg 1974 seinen ersten Spielfilm, „The Sugarland Express“, ein Roadmovie mit Goldie Hawn.

Karrierestart in frühen Jahren

Gerade 28 Jahre alt, läutete er mit dem Gruselschocker „Der weiße Hai“ die Ära der Blockbuster-Filme ein. Mit dem Science-Fiction-Thriller „Unheimliche Begegnung der dritten Art“ und „Indiana Jones“ setzte Spielberg seinen Siegeszug in Hollywood fort. „E.T.“ (1982), der bis dahin kommerziell erfolgreichste Film überhaupt, wurde später von Spielbergs Dinosaurier-Spektakel „Jurassic Park“ noch übertroffen.

Er brachte Milliarden in die Kinokassen, doch das reichte dem Blockbuster-König nicht. Mit „Die Farbe Lila“ (1985, „The Color Purple“) kam die Wende. Das Drama über das Schicksal einer schwarzen Frau in den US-Südstaaten holte elf Oscar-Nominierungen, ging bei der Verleihung allerdings leer aus.

Sein Oscar-Triumph kam mit dem Holocaust-Drama „Schindlers Liste“. Der Film über das Leben des Industriellen Oskar Schindler, der während des Zweiten Weltkriegs Juden in seinen Betrieben beschäftigte und somit vor dem Tod rettete, kam im Dezember 1993 in die US-Kinos. Der Regisseur drehte über Monate hinweg an vielen Originalschauplätzen, etwa vor den Toren des Konzentrationslagers Auschwitz. Er betrieb Nachforschungen über eigene Verwandte, die im Holocaust getötet worden waren.

„Ich bin nicht mehr der Mensch, der ich war, bevor ich nach Polen ging“, sagte Spielberg, als er 1994 den Golden Globe und dann zwei Oscars – für Regie und Produktion des „Besten Films“ – erhielt. Der Film gewann insgesamt sieben Oscar-Trophäen. Seinen zweiten Regie-Oscar nahm Spielberg 1999 für den Kriegsfilm „Der Soldat James Ryan“ entgegen.

Nach den Dreharbeiten zu „Schindlers Liste“ gründete Spielberg die Shoah Foundation, um den Holocaust mit Zeitzeugen-Interviews zu dokumentieren. Das riesige Archiv stellt die Stiftung Schulen und anderen Einrichtungen weltweit zur Verfügung. Zum 25. Jubiläum von „Schindlers Liste“ kam der Film 2018 erneut in die Kinos. „Es ist die perfekte Zeit, den Film noch einmal zu veröffentlichen. Wahrscheinlich noch wichtiger als damals in den 90er-Jahren“, sagte Spielberg dem Sender NBC. „Heute steht mehr auf dem Spiel als damals.“ Er wolle jungen Leuten die Botschaft auf den Weg geben, dass man Hass heute ernster nehmen müsse als die Jahre zuvor.