Leserbriefe zu Leitartikel „Nichts darf jetzt erledigt sein“, 8. 10.

Mit der dem ÖVP-Klubchef August Wöginger zugestandenen Diversion gibt es nur Verlierer. Der Betroffene selbst hätte als Klubobmann zurücktreten können, Bundeskanzler Stocker hätte die Chance gehabt, Herrn Wöginger in seiner Funktion abzuberufen, der Ethikrat hätte entsprechend reagieren müssen und nicht wie Frau Klasnic nur genehme Teile daraus zu zitieren. Auch die Partner der Regierungskoalition hätten mehr Druck ausüben können. Selbst die Justiz hat Schaden genommen, weil auch hier der Verdacht einer Einflussnahme von außen aufkeimen könnte.

ÖVP-Obmann und Bundeskanzler Stocker hat bisher den Eindruck vermittelt, die ÖVP vom System Kurz zu befreien und diese als moderne demokratische Partei zu positionieren und zu reformieren. Doch in dieser Causa ist die ÖVP in alte Strickmuster verfallen.

Eigentlich erwarten wir Wähler Veränderungen und die dringend notwendigen Reformen wie zum Beispiel beim Föderalismus, beim Gesundheitswesen, bei den Pensionen, etc. und wurden aber wieder nur enttäuscht. Damit werden jener Partei, die sich bisher in dieser Sache in Schweigen hüllt, die Wähler förmlich zugetrieben. Dr. Peter Klug, Graz

Skandal

Das ist einfach ein Skandal, anders kann man dies nicht bezeichnen! Und die Rechtfertigungen des Herrn Wöginger, „ ...mit dem heutigen Wissen“, „“ich habe die Dimension nicht vorhergesehen etc. Einfach erbärmlich. Da sieht man wieder, wie selbstherrlich und abgehoben unsere Politiker handeln. Marino Pusca, Klagenfurt

Anstoß zum Umdenken

Ich zolle August Wöginger für sein Verhalten im Prozess höchsten Respekt. Er ist neben Anton Lang einer der wenigen Politiker, die in letzter Zeit persönlich Verantwortung für ihr Handeln übernommen haben. Und dies ohne Wenn und Aber, ohne Hinweise auf das Verhalten von Vertretern der anderen politischen Parteien oder das für mich in der Öffentlichkeit zur Schau gestellte Selbstmitleid. Ich kann nur hoffen, dass dies ein Anstoß zum Umdenken ist und sich andere Politiker ein Beispiel daran nehmen.

Ich denke dabei an die für die Politik wenig ruhmreiche Causa bei der Abrufung eines Botschafters. Sieglinde Cemernek, Leoben

Anliegen

Systempolitiker? Also, nicht böse sein, wenn das Weiterleiten von Bürgeranliegen – egal von wem – ein Strafdelikt ist, wo kommen wir da hin? Allein, dass es zu einem Prozess kam, ist schon eine Frechheit. Wo soll denn der Politiker sonst das Anliegen weiterleiten, wenn nicht an den Zuständigen im Ministerium? Heidi Schönmüller, Klagenfurt

Die besten Köpfe

Herr Wöginger (ÖVP) hat durch seine Intervention dem Staat Österreich sehr wohl geschadet und das auf Jahre hinaus, denn wenn Bestqualifizierte nicht zum Zug kommen ist, weil ein weniger Qualifizierter natürlich keine so gute Arbeit leisten kann, ist das zum Nachteil unseres Landes!

Da dieses Vorgehen kein Einzelfall ist, braucht man sich über den Zustand unseres Landes nicht zu wundern. Die besten Köpfe brauchen wir und nicht die besten „Haberer“. Jo König, Graz

Als sei nichts gewesen

Eine Diversion, eine rechtsgültige Einigung im Zivilrecht, in der jede Partei Abstriche macht, ohne die Rechtsfrage zu klären, gleicht einem Kompromiss. Bei einer Anklage in einem Strafverfahren hat das Gericht über Schuld oder Unschuld zu entscheiden. Für Verurteilte wird die Strafhöhe im Rahmen der gesetzlichen Bandbreite festgelegt. Wie ist das jetzt bei August Wöginger und den zwei Beamten, denen Amtsmissbrauch vorgeworfen wird? Es gibt kein Urteil. Sind sie schuldig oder unschuldig? Wöginger beteuerte bis zuletzt seine Unschuld, bis ihm offenbar eine Diversion nahegelegt wurde, da änderte er spontan seine Meinung und besann sich auf die vielfach strapazierte Verantwortung. Bei einer Diversion gelten Angeklagte als unbescholten. Man geht zur Tagesordnung über und es wird getan, als sei nichts gewesen! Norbert Hüttel, St. Ulrich

Naive Zuschauer

Wäre nicht so aussagekräftiges Beweismaterial vorgelegen, wäre Herr Wöginger wohl bei seiner bisherigen Meinung geblieben, er habe keine Schuld und Postenschacher gebe es nicht. Er und seine ÖVP haben die Bürger erneut für völlig naive Zuschauer gehalten. Doch die Möglichkeit einer Diversion ist keine Absolution. Ing. Wolfgang Eberl, Graz

Zu viel Macht?

Der nächste ÖVP-Politiker, dem die Macht zu Kopf gestiegen ist. Markus Karner, Friesach

Typisch Österreich

Wie hätte der Wöginger-Prozess anders ausfallen sollen? Es weiß sowieso ein jeder, dass bei einer Besetzung einer wichtigen Position meistens Parteifreunde zum Zuge kommen. Darum ist auch von der Opposition wenig zu befürchten, denn es könnte ja sein, dass dann auch bei ihnen tiefer gegraben wird. Es wird eventuell kurzfristig etwas besser werden, aber dann wird sicher wieder alles wie gewohnt fortgesetzt. Man darf sich nur nicht erwischen lassen. Typisch Österreich eben. 
Gerald Neuhold, Weiz