Briefe zur Zeit: „Vorstufe der Unterwerfung“, 13. 9. und „Sollen Mädchen in der Schule Kopftuch tragen dürfen?“, 14. 9.
Die Bundesregierung plant ein Kopftuchverbot für Schülerinnen unter 14 Jahren. Als jemand, der den Schulalltag aus nächster Nähe erlebt, frage ich mich: Hilft ein solches Gesetz wirklich den Kindern? In meiner Erfahrung sehe ich: Manche Mädchen tragen manchmal ein Kopftuch – einmal mehr, einmal weniger. Es stört niemanden. Was Schulen im Alltag wirklich beschäftigt, sind ganz andere Themen: Personalmangel, Sprachförderung, Integration, Digitalisierung, Sorgen und Nöte der Kinder.
Das Kopftuch ist ein religiöses und kulturelles Symbol, das von Mädchen sehr unterschiedlich gelebt wird – manchmal aus Familientradition, manchmal aus eigenem Entschluss. Entscheidend sollte sein: die Freiheit zur Wahl. Die Altersgrenze von 14 Jahren knüpft zwar ans Religionsmündigkeitsgesetz an, doch hier greift der Staat massiv ein. Und das nur bei einem Symbol, während andere religiöse Zeichen nicht betroffen sind.
Der Verdacht liegt nahe: Dieses Gesetz soll weniger Kinder schützen als vielmehr ein politisches Signal setzen – zur Profilierung im Wahlkampf und als Ablenkung von anderen Problemen. Großes Signal – kleine Wirkung. Mein Anliegen: Statt Energie in Verbote zu stecken, sollten wir Chancen für Kinder schaffen. Denn echte Integration entsteht nicht durch Kontrolle, sondern durch Begegnung.
Bettina Bäck, Klagenfurt
Keine Freiwilligkeit
Das „Kopftuch“ jeder Art ist kein „religiöses“ Symbol, wie es etwa unser christliches Kreuz ist, sondern klar ein Ausdruck der Bevormundung von Frauen im Islam, wo unter orthodoxen Gläubigen Frauen zudem auch ihren ganzen Körper zu verhüllen haben. Im Gottesstaat Iran riskieren mutige Frauen Kopf und Kragen, wenn sie bei Demonstrationen zu Tausenden dieses Zeichen der Unterdrückung vom Kopf reißen. Klarer kann man dieses Empfinden der Unterdrückung der Weiblichkeit wohl nicht zum Ausdruck bringen. Grundlegende Frage: Will unsere heute – Gott sei Dank – aufgeklärte Gesellschaft nun das Tuch haben und dulden?
Wenn nun Verfassungsjurist Mayer glaubt, dass ein Verbot dieser Verhüllungen eine Einschränkung des freien Willens von minderjährigen (!) Mädchen wäre, so liegt er völlig falsch. Ist es doch – auch juridisch – so, dass den Eltern bis vierzehn Jahren die Obhut über die Minderjährigen obliegt und diese den Kindern ihr Tun vorgeben und dadurch ihre Kinder positiv und negativ prägen – von Freiwilligkeit ist da wohl keine Rede, wobei zudem dann auch noch die Brüder als ihre „Sittenwächter“ auftreten.
Dr. Otto Wanker, Deutschlandsberg
Räume schaffen
Die Regierung einschließlich Opposition möchte (neuerlich) ein Kopftuchverbot für Mädchen unter 14 Jahren durchbringen. Die Idee ist grundsätzlich begrüßenswert. Ich frage mich aber, wo die Anleitung bleibt, wie das in der Praxis funktioniert. Soll der/die Klassenlehrer/in das Kind auffordern, das Kopftuch abzunehmen? Die Polizei rufen, wenn das Mädchen das nicht möchte? Und das natürlich während laufender Unterrichtszeit? Setzen wir „Sittenwächter“ vor dem Schultor ein? Dann könnten diese auch gleich das Handyverbot überwachen. Oder die Kleiderordnung für Mädchen (wir erinnern uns, nicht bauchfrei, nicht zu knapp).
Statt in Integration zu investieren, den Jugendlichen Räume zu schaffen und verschiedene Freizeitmöglichkeiten, beschränkt sich die Haltung der Regierungsverantwortlichen auf Verbote.
Johanna Rauchenschwandner, Graz
Staat und Religion
Es ist ja nicht ohne Grund so, dass man sich in zivilisierten Staaten zur Trennung von Staat und Religion entschieden hat. Eine wesentliche Aufgabe des Staates ist es, mithilfe der Gesetzgebung dafür zu sorgen, dass die Bevölkerung auf gleichberechtigte Weise ihre kulturellen Bedürfnisse ausleben kann. Dies gilt insbesondere auch für die Ausübung von Religion und die Verwendung von religiösen Symbolen. Aus diesem Grunde darf der Staat auch nicht zugleich Vertreter einer der religiösen Strömungen sein. Daraus ergibt sich auch die Forderung, dass Einrichtungen wie öffentliche Schulen, die dem Staat zuzurechnen sind, nicht den Eindruck erwecken dürfen, Repräsentanten irgendeiner religiösen Richtung zu sein. Dies gilt auch für diejenigen, die beruflich als Vertreter des Staates fungieren.
Als Privatperson hingegen muss ihnen die Ausübung der gewünschten Religion und Verwendung entsprechender Symbole möglich sein. Um unnötige Konflikte zu vermeiden, muss diese Trennung zwischen Staat und Kultur stets im Auge behalten werden. Migranten haben sich daher nicht an unsere Kultur anzupassen, wie viele irrtümlich glauben, sondern an das, was unsere Gesetze von den Bürgern verlangen. Das Kopftuch bei Schülerinnen wäre, da Schüler keine Repräsentanten des Staates sind, eben nicht zu verbieten. Es sei denn, es würde bei der Ausübung von gewissen Tätigkeiten zu Gefährdungen führen. Anstatt das Kopftuch zu verbieten, sollte man bei Schülern mehr Druck auf die Beherrschung der deutschen Sprache legen. Denn wer der Sprache nicht mächtig ist, kann auch am Staatsleben nicht konfliktfrei teilnehmen.
Mag. Harald Haslacher, Rothenthurn
Tu felix Austria
Wir Österreicher können uns glücklich schätzen, dass unser Hauptproblem das Kopftuch ist, das ein ganzes Ministerium in Schach hält und höchst wahrscheinlich auch zahlreiche teure externe Berater beansprucht. Horrende Staatsverschuldung, exzessive Teuerung, Inflation, Pensionen, Gehaltsverhandlungen usw. werden so bewusst dem Blickfeld entzogen.
Ministerin Plakolm sollte sich besser ihren eigentlichen Aufgaben als Integrationsministerin zuwenden und nicht mit Verbissenheit eine Nebensächlichkeit bedienen. Aber unsere obersten Richter sind klug genug und werden die „wichtigste Sache der Nation“ klären.
Gerald Schmidt, Graz
Generelles Verbot
Aus meiner Erfahrung – ich arbeite als Freiwillige mit Migrationskindern – verhält sich das Problem genau umgekehrt: Kein Mädchen unter 13 oder 14 trägt ein Kopftuch, sondern erst ab dem Moment der ersten Periode tragen die Mädchen das Kopftuch (oder müssen es). Das hat mich immer gestört, dass jeder in der Klasse oder Gruppe sieht „Aha, jetzt hat sie die Periode“. Das ist erniedrigend. Das Problem von kleinen Mädchen, die Kopftuch tragen, habe ich in meiner Erfahrungszeit von circa zwanzig Jahren kein einziges Mal gesehen. Darum bitte nicht Kopftuchverbot für Mädchen unter 14, sondern generelles Kopftuchverbot, erlaubt eventuell ab Volljährigkeit.
Beate Rüsch, Graz
Unterdrückung
Mit Ihrem „Brief zur Zeit“ sprechen Sie mir so derart aus der Seele! Sie haben vollkommen recht, wenn Sie sagen, „das Kopftuch missbraucht Unmündige für eine kulturell-religiöse Markierung“. Und diese Unmündigen sind ausschließlich (junge) Frauen oder gar noch Mädchen. Daher danke ich Ihnen aus tiefstem Herzen – bestimmt auch im Namen sämtlicher auf diese Art (von Männern) unterdrückter Frauen auf der ganzen Welt!
Mag. Helga Adam, Graz