Was gab für Sie den Ausschlag, Ihre dekorative Kosmetik auf Naturkosmetik umzustellen?
LISA SCHARFF: Anfang 2013 hörte ich beim "TUSH Magazine", wo ich zu der Zeit als freie Beauty-Redakteurin gearbeitet hatte, auf. Ich war einfach nicht mehr glücklich, und das in mehreren Bereichen meines Lebens. Ich habe mich mit vielen Dingen beschäftigt, die eben genau das Gegenteil von der doch sehr oberflächlichen Welt, in der ich gearbeitet habe, waren. Das hat mich auch dazu bewegt, zu hinterfragen, was denn eigentlich in den Beauty-Produkten enthalten ist, die ich täglich nutze – bei mir persönlich, aber auch beruflich. Ich las unglaublich viele Bücher zu diesem Thema, meistens auf Englisch, denn international gab es schon viel mehr über das Thema "Clean Beauty" und "Beauty Food". Ich setzte mich mit Inhaltsstoffen von Produkten und diversen Blogs und Blog-Magazinen auseinander, die mich ehrlicherweise ganz schön schockiert haben. Ich habe mich gefragt, wie es sein kann, dass in Pflegeprodukten, von denen wir denken, wir tun uns etwas Gutes, wirklich bedenkliche chemische Inhaltsstoffe enthalten sind - und die wenigsten von uns sich darüber im Klaren sind. Ich habe schließlich angefangen, mein eigenes Badezimmer auszumisten.

Haben Sie komplett ausgemistet oder Schritt für Schritt?
SCHARFF: Das ging nicht von heute auf morgen. Ich habe viel ausprobiert und war ziemlich oft begeistert, wie gut die Produkte funktionierten und vor allem, wie ich mich mit meiner Haut gefühlt habe. In dem Moment habe ich auch gespürt, dass ich dieses Gefühl unbedingt weitergeben möchte – ich wusste damals nur noch nicht wie. Und ich konnte auch nicht mehr zurück, man wird sensibler für synthetische Duftstoffe, kann sie fast gar nicht mehr aushalten.

Wie lange hat es gedauert, bis Sie ihre konventionelle Kosmetik komplett ersetzt hatten?
SCHARFF: Ich schätze, von den ersten Produkten bis zum vollständigen Koffer sicherlich ein Jahr.

Es ist ja noch einmal ein weiterer Schritt vom sich selbst mit Naturkosmetik-Produkten Schminken bis zum damit Arbeiten? Wie kam es dann dazu?
SCHARFF: Mit meinem Hingergrundwissen wollte ich nicht mehr die Models in meinem Job schminken, das fühlte sich nicht gut an. Als ich dann gesehen habe, dass international schon einige Make-up-Artists so arbeiten, nur in Deutschland so gut wie gar nicht, traf ich die Entscheidung, es einfach zu tun. Natürlich war es ein langer Weg … das erstmal zu kommunizieren, Menschen aus der Branche kennenzulernen, zu lernen, mit den Produkten zu arbeiten, zu wissen, welche Produkte wirklich auch bei Shootings funktionieren.

Wie haben Sie sich Ihr Wissen über Inhaltsstoffe und Produkte angeeignet? Sie haben ja, wie erwähnt, zu einer Zeit begonnen, in der es im deutschsprachigen Raum noch nicht viel dazu gab.
SCHARFF: Ich habe sehr viele englischsprachige Bücher und Blogs gelesen, wie etwa thechalkboardmagazine.com, wellandgood.com, mindbodygreen.com. Ich habe mich über Inhaltsstoffe informiert, zuerst über die App "Codecheck", aber auch in Büchern. Irgendwann kennt man die chemischen Begriffe und wird ein bisschen zum kleinen Lexikon. Produkte habe ich über internationale Clean-Beauty-Shops, Instagram und andere soziale Medien kennengelernt. Ich bin nach London und New York gereist und habe mir dort Produkte angeschaut, die es zum Beispiel in Deutschland gar nicht gibt oder gab. Und natürlich habe ich getestet, was das Zeug hält! Nicht alles war super und hat funktioniert - aber der Großteil.

Wie lange testen Sie ein Produkt, bis Sie auch damit arbeiten?
SCHARFF: Wenn es um dekorative Produkte geht, weiß ich eigentlich schon bei der ersten Anwendung, ob ich sie mag oder nicht. Da geht es sehr viel um Texturen, Konsistenzen, Farben ... Und wie sie eben auf der Haut aufzutragen sind. Bei Pflegeprodukten lasse ich mir auf jeden Fall sehr viel mehr Zeit. Es gibt immer das "Erstgefühl", also den Duft, wie fühlt es sich auf der Haut an, wie zieht es ein etc. Man muss dann aber auch ein paar Wochen etwas benutzen, um auch wirklich etwas dazu sagen zu können.

Auch bei den Models kommt das Schminken mit Naturkosmetik gut an
Auch bei den Models kommt das Schminken mit Naturkosmetik gut an © Elena Zaucke


Welche Produktbereiche waren Ihre größten Herausforderungen?
SCHARFF: Produkte wie Mascara oder auch Foundation und BB-Creams stellen für viele eine Hürde dar und sind schwierig zu ersetzen. Gerade, wenn auch das Thema UV-Schutz mithineingerät. Auch für mich sind genau diese Bereiche Herausforderungen. Eine Mascara zu finden, die gut hält, nicht schmiert, ein schönes Volumen und Länge zaubert, war wirklich schwierig. Mittlerweile habe ich eine gefunden. Eine BB-Cream, die alles vereint, sich gut verteilen lässt, einen Lichtschutz enthält, der nicht weiß auf der Haut aussieht – auch das war eine Herausforderung. Alles, was lange haltbar sein soll oder wasserfest, ist ebenfalls nicht leicht. Eine wasserfeste Mascara gibt es nicht, genauso wenig eine 24-Stunden-Grundierung. Ich bin deshalb auch nicht dogmatisch: Zu wichtigen Veranstaltungen oder wenn man sich an einem Tag sicher fühlen will, wie etwa bei der eigenen Hochzeit, finde ich es nicht schlimm, auch einmal wasserfeste Mascara zu nutzen.

Gab es ein konventionelles dekoratives Produkt, das Sie vielleicht Jahre verwendet haben und dann schweren Herzens ausgetauscht haben?
SCHARFF: Am Anfang gab es da mehrere: Lidschatten-Paletten und Bronzer, aber auch meine Lieblings-Foundation und einen flüssigen Concealer. Mittlerweile denke ich aber ganz anders darüber. Außerdem ist mit den Jahren auf dem Markt wirklich wahnsinnig viel passiert. Es ist nur noch nicht so leicht, an die Sachen, die wirklich gut sind, auch heranzukommen, wenn man nicht aus der Branche kommt und diese kennt.

Wie reagieren Models oder Schauspielerinnen wie Sara Nuru, Marie Nasemann, Jessica Schwarz, die sie alle schon geschminkt haben, wenn Sie mit Ihrem „grünen“ Köfferchen zum Shooting kommen?
SCHARFF: Bis jetzt habe ich nur positives Feedback bekommen. Sie finden das Thema spannend und fragen mich immer nach Produkt-Tipps. Was ich jedes Mal höre ist, dass die Produkte sich nicht wie Make-up anfühlen. Dass die Haut nicht spannt und nicht das Gefühl von einer Maske entsteht. Und natürlich, dass alles so toll duftet. Models erzählen auch sehr oft, dass sie auf konventionelle Produkte bei den Jobs zum Teil sehr empfindlich reagieren. Und dass sie erstaunt sind, dass es sich auch anders anfühlen kann. Die meisten wollen danach gleich alles haben, was ich verwende.

Lisa Scharff mit Schauspielerin Jessica Schwarz
Lisa Scharff mit Schauspielerin Jessica Schwarz © Elena Zaucke

Sie haben eine Ausbildung als Maskenbildnerin, haben als Make-up-Artist und Beauty-Redakteurin für große Magazine wie "Gala" oder "Tush Magazine" gearbeitet. Dabei ist Schminken vor allem Maskieren. Ist das nicht ein krasser Gegensatz zu dem, was Sie jetzt machen? Bei Ihnen geht es ja vor allem um Natürlichkeit, selbst wenn Sie für ein Shooting schminken:
SCHARFF: Oh ja, das ist es! Vor allem das Wort "Maskenbildner" passt so gar nicht mehr zu meinem heutigen Bild von Schönheit. Es ist faszinierend: Schönheit war immer, schon als ich noch ganz klein war, mein Lieblingsthema und es war klar, das ich damit arbeiten will und werde. Aber das Wie hat sich verändert, weil ich mich verändert habe. Es geht nicht mehr darum, eine Maske aufzusetzen, sondern sich selbst zu erkennen und das, was da ist, hervorzuheben.Was ich in meinem Studio erlebe, und was mich manchmal auch sehr traurig macht, ist, dass ganz viele Frauen ein sehr großes Problem mit dem Blick in den Spiegel haben.

Das Studio von Lisa Scharff in Hamburg
Das Studio von Lisa Scharff in Hamburg © Elena Zaucke

Es gibt sehr viele Produkte und Firmen, die furchtbar „grün“ tun, es aber sowas von gar nicht sind. Wie kann man solche Fallen umgehen?
SCHARFF: Natürlich springen immer mehr große Marken auf den Zug auf, weil es ein Trend ist und sie dieses Thema und die Bewegung eben auch nicht mehr ignorieren können. Begriffe wie ‚Natur’ oder ‚natürlich‘ sind nicht geschützt, viele Konsumenten verlassen sich aber darauf. Ich würde mir auf jeden Fall immer die Inhaltstoffe anschauen und mir ein paar heraussuchen, auf die man achtet. Dabei geht es immer von der höchsten Konzentration am Anfang bis zur geringsten am Ende. Wird zum Beispiel auf der Verpackung mit Arganöl geworben, steht es aber auf der Inhaltsstoff-Liste an drittletzter Stelle, kann man sicher sein, dass das nur Marketing war.

Von der Maskenbildnerin zur Frau ohne Maske
Von der Maskenbildnerin zur Frau ohne Maske © Elena Zaucke

Wie nehmen Sie jemandem den Wind aus den Segeln, der findet, Naturkosmetik sei nur teuer und funktioniere dabei nicht einmal?
SCHARFF: Es klingt schon so abgedroschen, aber trotzdem ist es immer wieder wichtig zu sagen: Unsere Haut ist und bleibt das größte Organ und absorbiert eine große Menge von dem, was wir auf sie auftragen. Leider enthalten konventionelle Produkte sehr oft eine hohe Anzahl synthetischer Duftstoffe, Mineralöle, Silikone und Konservierungsstoffe, die allergische Reaktionen hervorrufen können und sogar zum Teil im Verdacht stehen, krebserregend oder hormonell wirksam zu sein. Alleine der Begriff "Fragrance/Parfum" kann unzählige chemische Zusammensetzungen enthalten, die nicht sichtbar sind. Und, es ist ja nun nicht so, dass wir alle nur ein Beauty-Produkt besitzen … es kommt täglich einiges zusammen, was wir benutzen. Das ist schon ein ungutes Gefühl, dass Stoffe in den eigenen Körper gelangen, von denen man nicht genau weiß, was sie dort tun. Natürlich gibt es auch große Preisunterschiede. Günstige Naturkosmetik ist nicht schlecht. Sie funktioniert aber vielleicht wirklich etwas weniger gut. In teureren Produkten sind meistens Power-Pflanzenstoffe- und Wirkstoffe, wenig Alkohol und sehr gute kaltgepresste Öle enthalten. Man braucht deshalb viel weniger von diesen Produkten, da sie konzentriert sind. Das heißt, man kommt viel länger damit aus. Und man braucht meist nicht zehn Produkte. Manchmal reichen auch zwei bis vier, die aufeinander abgestimmt sind.

Beim Essen heißt es ja schon lange, man soll nichts essen, was man nicht aussprechen kann. Warum haben wir alle uns aber noch so viel länger zweifelhafte Inhaltsstoffe auf die Haut geschmiert. Weshalb dauerte es vom „Clean Eating“ bis zur „Clean Beauty“ noch länger?
SCHARFF: Wenn man einmal angefangen hat, sich mit gesunder Ernährung, einem bewussteren und nachhaltigeren Lebensstil zu beschäftigen, ist es wie ein Schneeballprinzip. So war es bei mir ja auch. Bei den meisten fängt es mit der Ernährung an und geht dann irgendwann auch in den kosmetischen Bereich über. Und ich denke, dass es bei der Kosmetik längst nicht so offensichtlich ist, dass etwas eventuell nicht gut für dich ist. Wir werden da ja auch stark durch das Marketing manipuliert, vieles wird als ‚natürlich‘ verkauft und das ist es dann gar nicht.

Haben Sie das Gefühl, dass das Thema Naturkosmetik in der Öffentlichkeit momentan eher Lifestyle ist oder doch Achtsamkeit mit sich selbst und der Umwelt?
SCHARFF: Klar, auf der einen Seite ist es ein Trend, viele natürliche Marken haben coole Designs und eine moderne, schlichte Verpackung – der Öko-Faktor ist kaum noch vorhanden. Ich denke, es geht in zwei Richtungen: Zum einen leben es manche bestimmt als Trend, sich nach einer bestimmten Form zu ernähren und gleichzeitig nur noch Naturkosmetik zu nutzen. Das ist dann ein Lifestyle und natürlich auch ein Statement. Ich glaube jedoch eher, dass momentan allgemein ein Umdenken bei den Menschen stattfindet. Ein neues Bewusstsein für sich und die Umwelt. Es passiert immer mehr, dass nicht nur hinterfragt wird, wo das Essen herkommt, sondern auch, was in den Produkten, die genutzt werden, enthalten ist. Oder aber auch die Frage: Wo kommt eigentlich meine Kleidung her und aus was besteht sie? In allen Bereichen ist gerade viel Bewegung und das finde ich super!

Sie verfolgen ja einen ganzheitlichen Ansatz mit Hautpflege, Ernährung, Denkweise … Würde es überhaupt etwas bringen, wenn ich zwar meine Kosmetik umstelle, mich aber weiterhin schlecht ernähre und furchtbar gestresst bin?
SCHARFF: Gute Frage, ich denke, es ist zumindest ein Anfang, die Kosmetik umzustellen. Aber ich bin ehrlich: Für mich fängt es wirklich im Innen an. Das ist die Basis für alles. Was wir essen, beeinflusst direkt unser Wohlbefinden, wie wir uns fühlen und auch das Erscheinungsbild unserer Haut. Die Ernährung ist das wichtigste Werkzeug, womit du jeden Tag steuern kannst, inwieweit du deine Haut bei ihrer Arbeit unterstützt. Nicht umsonst spricht man von ‚Skin Food'. Und auch Stress kann eine enorme Auswirkung auf die Haut haben. Zuviel vom Stresshormon Cortisol kann zum Beispiel chronische Entzündungen hervorrufen oder auch die Bewegungen unserer Hautzellen verlangsamen, weshalb die Haut nach einer Zeit fahl und leblos aussehen kann. Das heißt: Die Umstellung der Kosmetik und eine Ernährung, die vor allem aus verarbeiteten Produkten, Weißmehl und Zucker besteht, bewirkt bei Weitem nicht so viel wie eine Ernährungsumstellung in Kombination mit wenigen und dafür passenden natürlichen Produkten für die Haut.