Tränen kullern Helen Oakley über das Gesicht, sie steht auf einem gerodeten Feld, das wenige Tage zuvor noch eine Eukalyptus-Plantage war: „Australien sollte sich dafür schämen“, ist Oakley empört. Das Video, das mehrere tote Koalas in vereinzelten Bäumen zeigt, hat nicht nur in Australien, sondern auch in den sozialen Medien für Aufregung gesorgt. Die toten Tiere waren das, was nach der Rodung der Eukalyptusplantage übrig geblieben ist, weitere tote Tiere wurden im Umfeld gefunden.



Der Koala, eines der australischen Aushängeschilder, wurde nicht erst in den vergangenen Monaten durch die dramatischen Waldbrände arg gebeutelt. Schon vorher stand es um die grauen Beuteltiere nicht unbedingt zum Besten: „Koalas sind auf der Roten Liste der Weltnaturschutzorganisation IUCN als gefährdet eingestuft. Aufgrund von Habitat-Zerstörung, Forstindustrie, Hundeattacken, Buschfeuer und Zusammenstößen im Straßenverkehr geht der Koalabestand seit Jahren massiv zurück. Schätzungen zufolge gibt es noch etwa 40.000 bis 80.000 Individuen“, so Eveline Dungl, die zoologische Abteilungsleiterin im Tiergarten Schönbrunn, indem auch die beiden Koalas Bunji und Wirri Wirri beheimatet sind.

Die Brände haben jedoch die Koala-Population auf ein höchst gefährdetes Maß reduziert. Allein auf Kangaroo Island (South Australia), wohin viele Tiere ausgesiedelt wurden, dürften ersten Schätzungen zufolge nur rund 10.000 von knapp 45.000 Koalas überlebt haben. Die geretteten Tiere hatten zwar Glück, doch wohin mit ihnen? Die Brände haben nur rund 20 Prozent ihres Lebensraumes auf der Insel übrig gelassen.

Zoologin Eveline Dungl vom Tiergarten Schönbrunn
Zoologin Eveline Dungl vom Tiergarten Schönbrunn © Schönbrunn/Daniel Zupanc

Für den Koala ist die Zerstörung seines Ökosystems besonders dramatisch, denn Anpassung zählt nicht gerade zu den Stärken des Tieres, so Dungl: „Koalas sind an Eukalyptuswälder gebunden. Sie sind extreme Futterspezialisten und ernähren sich ausschließlich von Eukalyptus. Es gibt für sie keine Alternativen.“ Und Eukalyptus ist für den Koala nicht gleich Eukalyptus, nicht alle Sorten eignen sich gleichermaßen für das Tier. Die übergroße Nase ist bei der Auswahl übrigens tonangebend, entscheidend ist eine geringe Zahl an Toxinen.
Doch für die Blätterfeinspitze gilt, was auch für alle anderen Tiere ausschlaggebend ist: Die Erhaltung der Art kann immer nur mit der Erhaltung des dazugehörigen Ökosystems vonstattengehen.

So auch beim Koala, der als Teil eines funktionierenden Ökosystems eine wichtige Rolle spielt, wie Eveline Dungl erklärt: „Beim Klettern in den Eukalyptusbäumen brechen sie Zweige mit Blättern ab, die zu Boden fallen und so für bodenlebende Insekten zugänglich werden. Ihre Exkremente dienen nicht nur Insekten und kleinen Nagern als Nahrungsquelle, sondern liefern auch Nährstoffe für die Regeneration des Unterwuchses.“ Und auch wenn es ungewöhnlich klingt, aber ihr dickes Fell erfüllt auch für andere Tiere seinen Zweck, so die Zoologin: „Koalahaar wird gerne von Vögeln wie etwa dem Braunkopf-Honigschmecker als Nistmaterial verwendet.“ Unter Nachbarschaftshilfe sollte man das aber nicht einreihen, denn Koalas haben kein allzu großes Bedürfnis nach Gesellschaft.

Nur zur Paarungszeit findet man zueinander, ansonsten ist der Beutelsäuger gerne für sich allein. Auch wenn es auf Fotos von Australienurlaubern den Anschein hat, als würden die Tiere mit viel Begeisterung direkt vom Baum dem Nächstbesten in die Arme plumpsen, dann entspricht das ziemlich sicher nicht der Realität, denn die Tiere sind scheue Wild- und keine Kuscheltiere. Schlaf ist für sie übrigens der Idealzustand. Rund 20 Stunden schläft der Koala am Tag und übertrifft damit sogar das Faultier, das auf durchschnittlich 14 Stunden pro Tag kommt. Diese extreme Langsamkeit ist es auch, die den Tieren letztlich zum Verhängnis wird: Den sich rasend schnell ausbreitenden Buschfeuern sind sie hilflos ausgeliefert.