Nein, wir reden hier nicht von den ganz großen Pötten. Nicht von der Harmony of the Seas mit ihren 5480 Passagieren, ihren 17 Stockwerken und 362 Meter Länge. Wir reden auch nicht von Kreuzschiffen, die ihre Klientel mit Eislaufplatz oder Sandstrand an Bord, mit Casinos und eisig klimatisierten Ballsälen locken. Das alles ist die Europa 2 definitiv nicht. Unter den etwa 400 Kreuzfahrtschiffen weltweit zählt sie zu den kleinsten. Aber auch feinsten.

Maximal 516 Passagiere werden hier von einer 370-köpfigen Crew umsorgt. Der Service ist makellos, das überaus freundliche Personal verkehrt auf Augenhöhe mit seinen Kunden. Alle Kabinen haben Balkon, die Owner-Suiten messen 114 Quadratmeter, aber selbst die regulären Quartiere mit 35 Quadratmetern bieten ausreichend Platz. So wie auch der rund um die Uhr geöffnete Pool mit seinen 15 Meter Länge Schwimmern Freude macht.

Ästheten wiederum werden vom Innendesign und den rund 400 Bildern und Skulpturen von ausgesuchter Qualität begeistert sein. Gourmets wiederum von den sieben sagenhaft guten Restaurants, in denen es keinerlei Anstellerei oder fixierte Menüs gibt. Dafür Hummer satt am Abend und sieben Sorten Sashimi zum Frühstück. Geräumige Sitzecken und Flatscreens, Regendusche und Dampfsauna in der Suite, eine reichhaltige Bibliothek und ein hübsches Auditorium, in dem Schauspieler lesen, Referenten lokal bezogene Vorträge halten, Orchester gastieren oder Filme gezeigt werden, kommen hinzu.

Sogar ein eleganter Rauchsalon ist vorhanden, so man seinem Laster nicht auf der eigenen Veranda frönen will. Schiffsweit herrscht kein Krawattenzwang, allgemeiner Dresscode: leger. Für den medizinischen Notfall steht ein Bordspital samt Dialysestation, betreut von einem Arzt und Schwestern, bereit.

Das alles liest sich ein bisschen wie Werbegeklingel, es sind aber schiere Fakten. Um auf dieser grandiosen Jacht zu reisen, bedarf es etwas Geldes, Schnäppchenjäger suchen hier vergebens. Aber mehr noch des einfachen Geschmacks, den Oscar Wilde definiert hat: Einfach mit dem Besten zufrieden zu sein. Darunter gibt es auf der Europa 2 nichts. Und was das ökologische Gewissen betrifft, muss man dem halt auch einmal ein paar Tage Pause gönnen und dafür im restlichen Jahr besondere Sorgfalt walten lassen.

Zudem wurde das Schiff soeben wieder zu den drei umweltfreundlichsten der Branche gewählt. Unsere Reise führte durch die Karibik, genauer gesagt, über die Kleinen Antillen nach Kuba. Solcherart gerät man aus europäischer Sicht gleich in ein Doppelparadies. Eine Hälfte am Schiff, eine Hälfte an Land. Halbwegs bewusste Kreuzfahrer wissen natürlich, dass man auf diese Art fremde Länder nur sehr oberflächlich kennenlernen kann. „Wie Fernsehen in 3D“, empfand eine Mitreisende die Ausflüge und hat damit irgendwie recht. Aber einen gewissen Eindruck bekommt man auch auf geführten Ausflügen. Beispielsweise in St. Lucia.

In den Kolonialzeiten haben Engländer und Franzosen ausdauernd um dieses Eiland gefochten. Unter Napoleon wurde die bereits abgeschaffte Sklaverei wieder eingeführt, Bonapartes Frau Josephine entstammte einer Zuckerbaron-Dynastie, der kaiserliche Schwiegersohn wollte ökonomisch gefällig sein. Bis zu seiner Unabhängigkeit im Jahr 1979 erlebte St. Lucia 14 Machtwechsel.

Wen mag das wundern. Die etwa 800 Quadratkilometer sind eine Art karibischer Modellbaukasten. Steilküsten und Sandstrände zum Meer hin, Fregattvögel am azurblauen Himmel, dichter Regenwald mit Baumfarnen im gebirgigen Inneren, auf kultivierten Flächen wachsen Bananen, Vanille, Zuckerrohr, Kokos- und Muskatnuss.

Die Landschaft um die zwei hoch aufragenden Pitons bei Soufrière ist so überwältigend schön, dass bei einem besonders idealen Fotospot über der Marigot Bay die einstige Preisforderung von zwei East Caribbean Dollar einfach mit einem Fünfer übermalt wurde und ohne viel Murren auch bezahlt wird. Mick Jagger soll hier ein Haus besitzen, die Talk-Queen Oprah Winfrey ebenfalls. Die Filme „Dr. Dolittle“ und „Superman 2“ wurden hier gedreht.

Die Europa 2 umrundet immer wieder die Welt; etwa ein halbes Jahr dauert die Reise, preislich liegt man damit bei einer deutlich sechsstelligen Eurosumme. Während unserer Zehn-Tages-Passage sind zwei Ehepaare auf dem Schiff, die so eine Rundfahrt gebucht haben.
Kreuzfahrten sind derzeit der am stärksten wachsende Zweig der Tourismusbranche. Allein im Vorjahr buchten 2,2 Millionen Deutsche so eine Schiffsreise und sorgten für einen Umsatz von rund drei Milliarden Euro.

Vielleicht befeuert von einem allgemeinen Eskapismus, im Zuge dessen man wenigstens befristet den Widrigkeiten des Alltags und den Grauslichkeiten der Welt entkommen möchte. In einem menschengemachten Paradies, geschützt von den menschgemachten Gräueln in den Weiten blauer Ozeane. Sozusagen in einer Welt(t)raumkapsel.