Im legendenumwobenen Garten Eden auf der Insel Giudecca in Venedig suchten berühmte Literaten, Künstler, Philosophen und Komponisten Inspiration. Rainer Maria Rilke und George Bernard Shaw, Marcel Proust und Jean Cocteau, Friedrich Nietzsche und Gertrude Stein, Ernest Hemingway, Eleonora Duse – und natürlich der Maler Friedensreich Hundertwasser, der 1979 das Naturjuwel erwarb. Jetzt sind sie alle für einen Tag zurückgekehrt. Als gezeichnete Porträts wehen sie in einer Installation von Harald und Sylvia Schreiber zwischen wuchernden Sträuchern und Bäumen in Venedigs größtem Garten, gewissermaßen als Ehrengäste auf einem Fest, auf dem das 90-Jahr-Jubiläum der Errichtung des Österreich Pavillons auf der Biennale von Venedig gefeiert wurde. Zu diesem Anlass hat die Hundertwasser Stiftung den Garten, den sie im Sinne des verstorbenen Malers in naturbelassenem Zustand seit vielen Jahren vor jeglicher Öffentlichkeit schützt, für eine ausgewählte Gästeschar der österreichischen und venezianischen Kunst- und Architekturwelt für einen Tag geöffnet.
Naturwunder. Was sich hinter hohen Mauern nahe der Redentorekirche verbirgt, gleicht einem Naturwunder. Erklimmt man über eine Kanalbrücke das kleine Stiegenportal, öffnet sich ein schier unendlicher Blick ins Grün von unbehelligt wachsenden Gräsern, Büschen und Bäumen. Bis zur Kante der südlichen Lagune erstreckt sich der Garten – mit 17.000 Quadratmetern größer als der Markusplatz. Es war der Wille Hundertwassers, dass der Garten in unberührter Schönheit seine historisch-kulturelle Tradition behält. Der einstige Klostergarten war zur Zeit Kaiserin Sisis ein Ort rauschender Adelsfeste in der von einem Springbrunnen und Statuen gesäumten Villa delle Rose. 1860 malte Sisi dort selbst die paradiesische Blumenpracht des Gartens. Dessen Namensgeber ist das britische Ehepaar Frederic und Caroline Eden, welches 1884 den Garten erwarb und liebevoll pflegte. Allen Bau- und Fabriksplänen hielt das Naturjuwel, zwischendurch im Besitz der griechischen Prinzessin Aspasia und ihrer mit dem letzten jugoslawischen König vermählten Tochter, stand.
Hundertwassers Vermächtnis. Die schwere Flut 1966 richtete große Schäden an. Als Hundertwasser 1979 den Garten kaufte, verwirklichte er mit behutsamer Wiederherstellung seine visionäre ökologische Weltsicht. Nach einem schweren Unwetter 2019 sorgte der Vorstand der Hundertwasser Stiftung, Joram Harel, für aufwändige Sanierung. Der Natur Raum zu lassen, war auch ein Gebot der Feier zum Jubiläum der Errichtung des vom Wiener Architekten Josef Hoffmann geplanten Österreich Pavillons auf der Kunstbiennale. Den Meilenstein für die Präsenz österreichischer Künstlerinnen und Künstler auf der Weltbühne Venedig beging man mit einem „Apero - 90 Jahre Nachbarschaft“.
90 Jahre Pavillon. Die Organisatoren, mit Katharina Boesch von section.a und Architekt Dolf Holubowsky an der Spitze, sowie der Förderverein des Pavillons und das Architekten-Kollektiv AKT luden dazu venezianische Öko-Initiativen, die Green Lion Group mit Pavillon-Kommissären anderer Länder und Studenten sowie weitere österreichische Künstlerinnen und Künstler an mehreren Stationen zum Dialog. Felizitas Thun-Hohenstein, Dorit Margreiter, Elisabeth Schweeger und Anna Jermaloewa berichteten von Ihren Erlebnissen als Kuratorinnen und Künstlerinnen im Pavillon. Das Kuratoren-Trio Sabine Pollak, Michael Obrist und Lorenzo Romito gab einen Ausblick auf Österreichs Architekturbiennale-Beitrag 2025 „Agency for Better Living“ mit Beiträgen zu leistbarem Wohnen und Revitalisierung.
Adi Winkler, aus Venedig