Gaukler, ist nicht nur eine der größten Attraktionen Marrakeschs. Er ist Afrikas berühmtester Platz, der sich abends in ein Gebräu orientalisch-afrikanischer Lebenslust verwandelt: laut, flirrend, bunt, pulsierend, dampfend, ein Gemisch der Gerüche. Alle Sinne schalten hier auf Empfang, das Schauspiel der Schlangenbeschwörer, Märchenerzähler, Affendresseure und anderer Zünfte vereinnahmt Gäste als Statisten – von unbeholfen und damit dem Treiben ausgeliefert bis zu versiert im Zurückweisen. Es ist eine Stätte fein austarierter Balance zwischen Anarchie und Ordnung.

Durch die Souks und Medina wandeln

Der Djemaa El Fna bildet den Übergang zur verwinkelten, engen und wuseligen Medina, die von Mauern umgebene Mittelalter-Stadt Marrakeschs aus der Zeit der Berber, des marokkanischen Urvolks. Hier finden sich die Riads, meist renovierte Stadthäuser mit einem prächtigen Patio im Innenhof. Für Touristen eine feine Alternative zu den komfortablen Hotelgiganten vor den Toren der Altstadt.

Den spärlichen Raum im Zentrum der „roten Stadt“, die ihren Namen der dominierenden Farbe verdankt, teilen sich Fußgänger mit hupenden Mopedfahrern und Pferdefuhrwerken. Entwirren lässt sich das Gassenknäuel am besten durch Stadtführer. Lardi etwa rät seinen Schützlingen zu Pragmatismus: „Augen zu und durch!“ Spätestens in den Suks sollte man sich dann abnabeln und vom Treiben einverleiben lassen. Afrikas größter Basar eignet sich für Sozialstudien zumindest ebenso wie für Einkäufe, die hier strenger Inszenierung folgen: Wer einmal Interesse signalisiert, muss mit Anhänglichkeit rechnen. Es lohnt der Preisvergleich, ehe man sich dem Gefeilsche hingibt (oft ist der verhandelte Preis ein Zehntel des ausgerufenen).

Duftende Farbenpracht in den Souks
Duftende Farbenpracht in den Souks © Rasmus - stock.adobe.com

Die Zeit scheint stehen geblieben zu sein

Neben einem grenzenlosen Angebot an Waren aller Art aus aller Welt werden auch Hennamalereien, Arganöle und natürlich Gewürze feilgeboten: Kurkuma, Kreuzkümmel, Kardamom, Ingwer, Zimt, Pfeffer, Muskat und natürlich Weihrauch. Man kann gefühlstrunken Stunden durch die endlosen Gänge traben, ohne einen Ort zweimal zu besuchen. Je tiefer man eintaucht, desto mehr scheint die Zeit stehen geblieben zu sein, wenn etwa Schmiede über offenem Feuer ihre Arbeit verrichten.

Intensive Farben als Ernte der Natur

Pflichtprogramm ist der Besuch des Bahia-Palastes, auf Deutsch „Die Strahlende“ oder „Die Glanzvolle“. Der beeindruckende, 8000 Quadratmeter große Palast mit seinen 160 Räumen gilt als einer der schönsten Marokkos. Architektonisch geprägt von drei Handwerkstechniken: prächtig gefliesten Mosaiken sowie präzise ausgeführten Kunstwerken aus Gips und Zedernholz.
6000 Handwerker haben das Prachtwerk in 16 Jahren Bauzeit errichtet. Die intensiven Farben hier sind Ernte der Natur: Das Blau stammt von Indigo, das Rot vom Klatschmohn, das Gelb lieferte Safran und das Schwarz Kohle. Im Palast, Auftragswerk eines Großwesirs während der bis heute andauernden Regierungszeit der Alawiden, eröffnen sich mitunter intime Einblicke in das luxuriöse (Liebes-) Leben der einst hier Herrschenden, ein andalusischer Garten inklusive. Ein kundiger Führer ist auch hier von Vorteil.

Nur einen Spaziergang entfernt zwischen den Palästen Bahia und El-Badi lockt das jüdische Viertel Mellah, in dessen Herz die Synagoge Slat al Azama für Besucher offensteht, anders als Moscheen in Marrakesch. Ein Besuch maurischer Saadier-Gräber entschädigt dafür ein wenig. Die Nekropole unweit der Kasbah-Moschee beherbergt Gräber und Mausoleen von Sultanen.

Marrakesch, eine der vier Königsstädte Marokkos, kann aber auch ganz anders: extravagant, westlich, hip. Eine moderne Märchenstadt, die es auch krachen lässt. In der „Neustadt“ finden sich nicht nur Einkaufscenter und Fast-Food-Buden, sondern auch angesagte Clubs, die Träume von 1001 Nacht – für manche – Wirklichkeit werden lassen. Wummernde Basstöne, schummriges Licht, exklusive Getränke – alles nur eine Taxifahrt vom Mittelalter entfernt.

Tajine und Couscous

Ein Kapitel für sich ist die Esskultur, die Marrakesch so unverwechselbar macht. Abgesehen von den Garständen, die auf dem Djemaa El Fna nach Einbruch der Dunkelheit aufgestellt werden, können Marokkos kulinarische Schätze auch in exklusiven Lokalitäten genossen werden: Tajine und Couscous sind heimische Nationalgerichte, Tee – und hier vor allem grüner Tee mit Pfefferminzblättern – allgegenwärtig. Aber, auch das sei empfohlen, ein Glas guter marokkanischer Wein passt ebenso zur Tajine, dem traditionellen Eintopf, der in einem Schmorgefäß aus Lehm zubereitet wird.

Bahia-Palast
Bahia-Palast © jon_chica - stock.adobe.com

Marrekesch – 2020 Afrikas erste Kulturhauptstadt – bietet Möglichkeiten sonder Zahl, sich tagelang dem orientalisch-afrikanischen Sinnesrausch hinzugeben. Neuerdings auch per Fahrradtour. Dennoch zwei nachdrückliche Empfehlungen für Ausflüge vor die Tore dieser zauberhaften Millionenstadt.

Ausflug nach Essaouira

Essaouira, die von Portugiesen erbaute Festungsstadt am Atlantik, trägt ob ihrer Architektur und exponierten Lage den Beinamen „weiße Stadt des Windes“, ist gut zwei Autostunden entfernt. In den 1960er-Jahren entdeckten Hippies diesen einstigen Handelsknotenpunkt, heute Unesco-Weltkulturerbe, für sich. Pittoresker geht es kaum: Breite Sandstrände, vorgelagerte Inseln, blaue Fischer-Holzboote, dazu eine symmetrische Medina, in der sich Besucher gegenüber jener in Marrakesch wie in Zeitlupe wähnen. Auf dem Weg nach Essaouira lohnt ein Stopp bei Marjana, einer Frauen-Kooperative, in der das wertvolle Arganöl des sagenhaften Baumes in besonders hoher Qualität angeboten wird.

Parc Anima - André Hellers Lebenswerk

Ein sinnlicher Ort des Staunens mit Österreich-Bezug ist der prachtvolle Parc Anima. Unweit seiner privaten Villa, mit Blick auf den 4167 Meter hohen Jebel Toubkal des schneebedeckten Hohen Atlas, schuf Universalkünstler André Heller einen Platz der Kontemplation. Ein Lebenswerk aus exotischen Pflanzen und inspirierenden Kunstwerken etwa von Keith Haring oder mit Rodins „Denker“ als symbiotischer Rückzugsort der Fantasie.

In den verwunschenen Ecken verweilen, die ausgezeichnete afrikanische Garten-Gastronomie genießen, im Rausch der Düfte und Farben verweilen: eine Fahrtstunde mit Taxi oder Shuttle-Bus ins Ourika-Tal als Zeitreise an einen Ort magischer Lebenslust.

Zurück am Djemaa El Fna der erwartete Kontrast: laut und leise, schnell und langsam, religiös und säkular. Willkommen in Marrakesch.

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