Die Crux: Was wollen Sie schreiben, was wollen Sie lesen?

Das, was auf www.kleinezeitung.at in Postings unter Artikeln/Videos/Fotoserien zu finden ist, schießt leider immer wieder mit Untergrundbahn-Tempo das über das hinaus, was (noch) vertretbar ist. Wir müssen handeln. Nicht dem vermuteten Zensurphantom zuliebe, sondern, um Dinge in einem für uns vertretbaren und genießbaren Rahmen zu halten.

"Anonym" angepatzt

Kaum jemand dürfte Freude daran haben, wenn von Unbekannten gegenseitig Beleidigungen und Verunglimpfungen mit großen Lettern an seine Hauswand geschrieben oder gesprüht werden. Wer Thesen anschlägt, sollte sie sachlich vertreten können, nicht übel nachreden. Wer auf eine (straf)rechtlich bedenkliche Art über den Kamm schert, darf bei uns dazu keine Gelegenheit haben. Wikipedia beschreibt das Wort "Etikette" als "Verhaltensregelwerk, welches sich auf zeitgenössische traditionelle Normen beruft und das die Erwartungen an das Sozialverhalten innerhalb gewisser sozialer Kreise beschreibt". Was aus diesem Bereich fällt, verdient keine öffentliche Plattform. Und: Besonders grobe Übertretungen sind abgesehen davon über das Gesetz zu ahnden.

Standpunkte werden nicht umso glaubwürdiger, je lauter man sie in den virtuellen Wald brüllt. Argumente werden nicht unbedingt treffender mit der Anzahl von Beleidigungen, mit der man sie zu vertreten glaubt. Diskussionen werden gewiss nicht erfreulicher mit jeder tiefer liegenden Schublade, die geöffnet wird und aus der es nicht mehr gut riecht. Die besten Wörter kommen auch ohne Schimpfen aus und werden von anderen zudem wesentlich lieber und aufmerksamer gelesen. Das weltweite Netz stellt - entgegen häufiger Meinung - keinen Tarnmantel zur Verfügung, der alles erlaubt. Die Tatsache, dass man (derzeit) nicht mit Klar-Namen posten muss, bedeutet nicht, dass es nicht klare Regeln einzuhalten gilt. Emotionen finden sich naturgemäß auch in der Sprache wieder, doch nicht alles möchte man lesen. Die Zuschriften, die wir diesbezüglich bekommen, pendeln nicht selten zwischen "Warum darf ich jemanden nicht als Schwein bezeichnen, wenn er doch eines ist?" und "Warum darf so etwas über mich geschrieben werden?" (auch wenn es nicht lange stehen bleiben wird und eine Verwarnung oder eine Sperre zur Folge hat).

Es geht auch anders

Am meisten Freude machen uns - und wohl auch den allermeisten Nutzern - überlegte, lebendige und amüsante Diskussionen zu Sachthemen. Wertvolle Postings, die den Ball munter über der Gürtellinie hin- und herwerfen, den Lesern zusätzliche Informationen bieten und frische Blickwinkel aufzeigen. So soll es sein - und so könnte es auch sein.

Daneben stellen die Meinungsforen selbstverständlich auch einen Anspruch an uns Journalisten und Redakteure, denn: Ein gekonnt und ausgewogen geschriebener Artikel sollte eher eine gesunde Basis für ein gutes "Gespräch darunter" bieten als ein etwas seitenlastiger oder gar schlecht recherchierter. Und am Ende ist es auch so etwas wie eine Kosten-Nutzen-Frage: Uns bleibt für interessanten Inhalt mehr Zeit, wenn wir weniger damit zu tun haben, im Kreisverkehr nach jedem Meter die Stopp-Schilder aufzustellen.

Meinungsforen im Internet. Was sie sein können. Und was sie nicht sein sollten: Ort, um abzuladen - nicht aber virtueller Abort. Platz für Austausch - nicht aber für aggressiven Auswurf. Gelegenheit, Meinungen zu vertreten - nicht aber per Keule zu verunglimpfen.