„Das Haus ist unser kreatives Manifest: Wer durch seine Räume geht, erfasst die Essenz unserer kreativen Vision, die auf dem Konzept der Faszination basiert“, erklärt Marco Magalini, der mit seinem Partner Manuel Barbieri die Kreativagentur MM Company betreibt. Für sie ist die Faszination ein Element, das sie unermüdlich in Dingen und Menschen suchen. Für die Casa Caleido haben sie zwei Erdgeschosswohnungen zusammengelegt und daraus ihr Zuhause geschaffen. Der zentrale Raum ist das Esszimmer, um das sich alle anderen Bereiche entfalten. Hier steht ein rechteckiger Esstisch mit Eisenbeinen und einer brasilianischen Marmorplatte aus Caleido-Marmor von Marcolini Marmi, einem ihrer ersten Kunden, der dieses Material nach ihnen benannt hat. An den Wänden hängen zwei Porträts: Madame de l’Argenterie, ihre imaginäre Haushälterin, und Arturo, ihre rechte Hand. 

Creative Directors Marco Magalini und Manuel Barbieri 
Creative Directors Marco Magalini und Manuel Barbieri  © Beppe Brancato

Unvollkommenschönheiten

Durch einen Arco Caleido – eine originelle Mischung aus arabischen und venezianischen Stilelementen – gelangt man ins Wohnzimmer, wo sie unter dem Licht eines großen Kronleuchters von Gino Sarfatti für Flos gerne Aperitifs servieren – auf einem Servierwagen, den sie auf einem Flohmarkt in Venedig gekauft haben. Daneben befindet sich die Holzküche, die Manuel entworfen hat. Sie zeichnet sich durch zwei Hauptmerkmale aus: Die Holzpaneele verlaufen durchgängig vom Boden bis zur Decke und die Rückwand aus Marmor hat bewusst eine unregelmäßige, gezackte Kante, die daran erinnert, dass auch Unvollkommenheiten schön sein können. 

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Dabei war ihr Ansatz bei der Renovierung konservativ: Originalelemente wie die gerahmten Türen und die kunstvoll verzierten Zementfliesen aus dem frühen 20. Jahrhundert – jedes Zimmer mit eigenem Muster – wurden bewahrt. Andere Elemente wurden restauriert, darunter der historische Putz, der unter vielen Farbschichten verborgen lag, und die ursprüngliche Raumaufteilung wurde verändert. Bei der Renovierung wurde ein konsequenter Ansatz verfolgt, der sich in der Verwendung einfacher, natürlicher Materialien mit einem rohen, ursprünglichen Charakter widerspiegelt, die sorgfältig ausgewählt wurden: Walnussholz, Marmor, Eisen, Leinen und Beton. Die Oberflächen und die Farbpalette sind stets von der Natur inspiriert, insbesondere von den Erdtönen. 

Zuhause im Zuhause 

Das Schlafzimmer wird von einem großen Bett mit geschwungenem Kopfteil dominiert. Ergänzt wird die Wohnung durch einen Bereich, der in eine Gästeunterkunft umgewandelt wurde: ein kleines Zuhause im Zuhause, das eine vollständig immersive Designerfahrung bietet. Hier, wie im Rest des Hauses, sind das durchgehende gestalterische Element die bewusst verwitterten Wände, die die Patina der Zeit enthüllen. 

© Beppe Brancato

Große Aufmerksamkeit wurde der Gestaltung des Badezimmers gewidmet, inspiriert von den entspannenden Riads der Medina von Marrakesch. Dieses Zimmer wird von einer großen, eingebauten Badewanne in Elefantengrau dominiert, zugänglich durch ein Arco Caleido. Es wurde als geheimer Rückzugsort konzipiert, verborgen hinter einer falschen Wand. 

Die meisten Möbel wurden von Manuel – ein ausgebildeter Innenarchitekt und Möbelgestalter – entworfen und in Italien von erfahrenen Handwerkern handgefertigt. „Wir haben diese Stücke als richtige Kollektion konzipiert, die replizierbar ist und käuflich erworben werden kann. Sie zeichnen sich durch eine analoge Haptik, staubige Töne, markante Texturen und wesentliche Materialien wie Holz, Marmor, Eisen und Beton aus. Für uns haben sie eine starke evokative Kraft und wir hoffen, dass sie auch andere begleiten und in ihren Häusern dieselbe Wirkung entfalten.“ 

Leidenschaftliche Beleuchtung und szenografische Wand 

Beleuchtung ist eine große Leidenschaft des kreativen Duos: Im Wohnzimmer findet man neben der großen Deckenlampe von Gino Sarfatti für Flos die Lampe Fontana Grande, die 1954 von Max Ingrand für FontanaArte entworfen wurde, und die ikonischen Wandleuchten Teti von Vico Magistretti für Artemide. Im Esszimmer die Nuvola von Mario Bellini für Nemo Lighting und den grafischen Strich des Dabliu, ebenfalls von Nemo Lighting. In der Küche das röhrenförmige Element des Alphabet of Light von Artemide. Im zweiten Wohnzimmer das Arrangement Round von Michael Anastassiades für Flos. Im Schlafzimmer die Lumi, entworfen von A. Saggia & V. Sommella für Fabbian, die ikonische Oceanic-Lampe von Michele De Lucchi für Memphis Milano und eine leuchtende Maske, die der Künstler Marco Lodola für Dior geschaffen hat. 

Das Hauptmerkmal des Hauses, das als Kulisse für das Esszimmer dient, ist die szenografische textile Wand von Dooor, die sich über die gesamte Wandhöhe erstreckt und aus schallabsorbierendem Samtgewebe besteht. Diese Lösung ermöglicht es, die Räume bei Bedarf zusammenzuführen und eine besondere Dinnerparty, ein Fest, ein gemeinsames Frühstück oder eine Ausstellung zu veranstalten. Die beiden Bereiche interagieren nahtlos durch ihre Materialien, Oberflächen und eine erdige Farbpalette. Die Wand fungiert auch als dramatischer Vorhang und verwandelt das Esszimmer in eine Bühne, auf der sich die Geschichten der Gäste verweben. 

Kreative Einflüsse en masse

„Unsere kreative Vision ist kaleidoskopisch, da sie aus Architektur, Kunst, Mode, Design, Kulinarik und Musik gespeist wird. Das Haus ist wie eine Sammlung von Erinnerungen, Materialien und Eindrücken, die wir auf unseren Reisen gesammelt haben. Unser Esstisch ist unsere ,Palette‘: eine von uns entworfene Marmorplatte, gedeckt mit Tischtüchern, Geschirr und Besteck aus aller Welt, kombiniert mit Familienerbstücken. Hier kochen wir traditionelle Gerichte mit Zutaten und Techniken aus unseren Reisen, begleitet von Bossa-Nova-Musik.“ 

Inspiration finden sie auf Reisen von Venedig über Brasilien bis nach Marrakesch. Venedig ist die Stadt der Inspiration, ein endloses Tagebuch kreativer Einflüsse. Brasilien bringt modernistischen Rationalismus mit brutalistischen Elementen von Meistern wie Lina Bo Bardi, Jorge Zalszupin und Oscar Niemeyer ein. Marrakesch ist ihr „adoptiertes“ Zuhause, das sie mit Materialien, Texturen und Lichtstudien inspiriert.

Gesammelte Objekte als Fetisch

Für Magalini und Barbieri ist ein Haus wie eine Person: Es hat einen Körper und eine Seele. Der Körper ist etwas, das sie erben, erschaffen von anderen, die seine Form, Proportionen, Struktur und Erscheinung definieren. Die Seele jedoch gehört ganz ihnen: Sie entsteht aus ihren Entscheidungen und spiegelt ihren Charakter, ihre Persönlichkeit, ihre Identität und die Beziehungen wider, die sich darin entfalten. Dabei spielen Objekte eine entscheidende Rolle, da sie Erinnerung, sinnliches Vergnügen und Ästhetik verkörpern. „Wie Freud einmal sagte, ist das gesammelte Objekt ‚eine Art erotischer Fetisch, der gegen Angst schützt‘.“ 

Ihre jüngste Anschaffung ist ein Kunstwerk, das für sie das ultimative Geschenk darstellt: Seitdem sie sich kennengelernt haben, haben sie beschlossen, sich nur Kunstwerke zu schenken, entsprechend dem Budget des Moments. „Es ist wunderbar, diese Stücke zu sehen und sich an den Moment zu erinnern, in dem sie ausgewählt wurden – und dabei auch die finanzielle Reise eines jungen Berufspaares wie uns nachzuvollziehen. Nämlich durch die Kunstwerke, die wir uns zu jeder gegebenen Zeit leisten konnten.“

Als nächstes Projekt steht die Transformation der Garage an. Da sie keinen Garten haben, wird die Garage in ein richtiges Gewächshaus verwandelt, damit Barbieri seine Leidenschaft für Pflanzen pflegen kann. Entwickelt haben sie es als terracottafarbene Box, in der sie ein antikes Metallbett, große Spiegel, einen kleinen Tempel aus dem 18. Jahrhundert und viele hängende Pflanzen platziert haben. „Wie man oft über uns sagt, versuchen wir immer, das, was wir haben, zu verbessern – in diesem Fall eine Garage, die zu klein ist, um ein Auto unterzubringen. Für die Zukunft würden wir gerne weitere Abschnitte des Gebäudes erwerben, um mehr Raum für neue Experimente zu haben.“

Auch Österreich als Quelle der Inspiration

Auf die Frage, ob es noch Träume gibt, kommt ein deutliches „Ja!“ als Antwort. Das „Gefühl des Unvollendeten“, das die Casa Caleido definiert, nährt ihren ständigen kreativen Impuls und führt sie dazu, nach etwas Neuem zu suchen – nach etwas, das, wenn es zu dem, was bereits existiert, hinzugefügt wird, dessen Seele bereichert. Magalini hätte gerne mehr Porträts von Menschen, die er sich gerne als Gäste des Hauses vorstellt. Zum Beispiel ein Porträt von Sir Walter Raleigh – dem faszinierenden englischen Seefahrer, Freibeuter und Dichter. Barbieri hingegen träumt davon, ein Stück Land zu erwerben, auf dem er einen kleinen Garten mit wilder Vegetation und einer bunten Hängematte anlegen könnte – wie jene im Anima Garden, dem botanischen Garten des österreichischen Künstlers André Heller, der sich kurz vor Marrakesch befindet: ein magischer Ort der Sinnlichkeit, des Verlangens und der Kontemplation.

Zum Abschluss möchten sie uns noch etwas mitgeben – ihre besondere Beziehung zu Österreich, einem Land, das ihnen sehr am Herzen liegt. „In unserem Leben haben wir eine besondere Bindung zu Österreich entwickelt, beruflich wie privat, vor allem dank unserer Freundin Manuela. Österreich ist eine Quelle der Inspiration für uns, dank experimenteller Plattformen wie der Vienna Design Week und außergewöhnlicher Orte wie dem Schloss Hollenegg for Design. Mit unserer Casa Caleido erhielten wir eine weitere Bestätigung dieser Verbindung: Viele unserer Gäste sind tatsächlich Österreicher. Jetzt können wir es kaum erwarten, zu sehen, was die Zukunft für uns bereithält.“ 

Dieses Portrait ist in der neuen Frühlingsausgabe der „ida“ erschienen - dem Lifestyle-Printmagazin der Kleinen Zeitung: ida - ich denke an ...