Am Anfang steht der Schock der Diagnose: Prostatakrebs. Es ist der häufigste Krebs der Männer in Österreich, jedes Jahr sterben 1200 daran. Muss die Prostata entfernt werden (medizinisch: Prostatektomie), kann diese Operation das Leben der Betroffenen retten - die Nebenwirkungen belasten Männer aber sehr.

Es sind die beiden gefürchteten „I“, Inkontinenz und Impotenz, die folgen können. „Ist die Operation überstanden, fühlen sich die Betroffenen oft nicht mehr als Mann“, sagt Judith Harpf. Die Physiotherapeutin am Klinikum Klagenfurt kennt die Sorgen der Patienten genau - hat sie sich doch auf die Nachbetreuung von Männern nach einer Prostata-Entfernung spezialisiert. Und versichert allen: „Es gibt Hilfe, holt sie euch.“

Am Klinikum Klagenfurt beginnt diese Hilfe schon vor der Operation: Bei einem ersten Termin zeigt Harpf dem Patienten vor dem Eingriff Übungen für die Kontinenz - und dieses Training geht nach der Operation weiter. „Wir dürfen Männer nicht so behandeln wie Frauen, die ein Kind bekommen haben“, sagt Harpf und meint, dass es ganz spezielle Übungen für den Mann braucht, die sich vom Beckenbodentraining für Frauen unterscheiden. So lernen Männer, Muskeln anzuspannen, von denen sie gar nicht wussten, dass sie sie haben.

Die Männer treffen sich bei Therapeutin Harpf zum Training in der Gruppe: „So können die Männer miteinander über ein Tabuthema sprechen, über das sie sonst oft schweigen“, sagt Harpf.

Am Anfang überwiegt oft die Verzweiflung, wie auch Prostatakrebspatient Alfred E. weiß: „Man hat das Gefühl, seine Männlichkeit verloren zu haben.“ Doch durch das fleißige Trainieren zu Hause - die Übungen bekommen die Patienten im Kurs gezeigt, trainiert wird daheim - war Alfred E. schon nach drei Wochen wieder kontinent. „Ich war unglaublich glücklich, wieder ohne Angst außer Haus gehen zu können“, sagt Alfred E.

Die Inkontinenz kann Männern das Gefühl geben, ein „Wickelkind“ zu sein, wie Alfred E. sagt - die Impotenz raubt Männern dann noch einen Teil ihres Selbstwerts, wie Harpf weiß. Es habe sogar Männer gegeben, die sich aus Angst vor der Impotenz gegen die lebensrettende Operation entschieden haben. „Das darf nicht passieren“, sagt Harpf, denn man könne etwas dagegen tun.

Doch gerade bei der Impotenz, auch als erektile Dysfunktion bekannt, glauben die Betroffenen oft: Das ist jetzt halt so. Das war auch bei Patient Alfred E. so: „Auch ich habe am Anfang gedacht, dass das Thema Sex für mich erledigt ist.“ Dabei gebe es eine ganze Reihe an Hilfsmitteln wie Vakuumpumpen und medikamentöse Unterstützung, um wieder eine Erektion zu bekommen.

Nicht zu lange warten

Aber: Zu lange warten sollten Betroffene nicht, bevor sie sich Hilfe holen. „Wenn man die Schwellkörper nicht nutzt, kann das Gewebe verkleben und man riskiert, nie mehr eine Erektion zu bekommen“, sagt Harpf.

Mit speziellen Übungen kann die Durchblutung gefördert werden. „Ich sage meinen Patienten: ,Wenn du willst, kannst du wieder Sex haben'“, so die Therapeutin. Dass Harpf sich als Frau dieser Männerprobleme annimmt, ist für viele sogar ein Vorteil: „Ich denke, mit einer Frau spricht es sich leichter, da das Konkurrenzdenken wegfällt“, sagt Harpf.