Es arbeitet 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche: unser Gehör. Egal ob es darum geht, sich mit Arbeitskollegen auszutauschen, herannahende Autos zu bemerken oder nachts bei ungewöhnlichen Geräuschen rechtzeitig wach zu werden – im Alltag ist das Hören ebenso unverzichtbar. Ist die akustische Wahrnehmung so stark beeinträchtigt, dass ein Hörgerät nicht mehr ausreichend helfen kann, oder ist ein Mensch gehörlos, kommen häufig Cochlea-Implantate zum Einsatz.

Operation mit Roboter

Robotische Operationsverfahren sind seit einigen Jahren ein fester Bestandteil in der Chirurgie.  An der Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten in Wien wurde nun eine der ersten Operationen weltweit mit einer neuen Technologie erfolgreich durchgeführt: Diese arbeitet ohne manuelle Steuerung von Chirurginnen und Chirurgen vollautomatisch und ist mit einem hochpräzisen Navigationssystem mit so geringer Schwankungsbreite ausgestattet, dass bei einem Eingriff auf engstem Raum wie der Cochlea-Implantat-Operation möglich wird.

„Diese neue Technologie ist vergleichbar mit dem Autopiloten im Flugzeug. Wie der Autopilot arbeitet der Roboter mit einem exakten Navigationssystem, in das alle Informationen über die Hörschnecke, in die das Cochlea-Implantat eingesetzt wird, und die Position des Gesichts- und Geschmacksnervs eingespeist werden. Die Chirurgin oder der Chirurg steuert bei dieser neuen Technologie nicht mehr manuell. Der Roboter wird gestartet und arbeitet dann ohne händische Steuerung“, erklärt Wolfgang Gstöttner, unter dessen Leitung die Cochlea-Implantat-Operation durchgeführt wurde.

Abgesichert 

Der Eingriff des Roboters ist mehrstufig abgesichert. Der Zugang wird stufenweise gebohrt und zwischen den einzelnen Bohrvorgängen kontrolliert das System den Winkel des Kanals. Besonders genaue Messungen sind für die Stelle, bei der am Gesichtsnerv vorbei gebohrt wird, vorgesehen. Sollte ein Wert nicht eindeutig positiv sein, bricht der Roboter den Bohrvorgang automatisch ab. Die Operation müsste dann händisch weitergeführt werden. Bei der Operation an der Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten von MedUni Wien und AKH Wien war das nicht notwendig.

Damit der Roboter dann aber so präzise arbeiten kann, braucht es bereits Vorarbeit von Ärztinnen und Ärzten. Dafür wird seit etwa einem Jahr an vielen Standorten eine neue Software verwendet, welche die Implantation der notwendigen Elektrode vereinfacht. Die Software wurde von einer österreichischen Implantatfirma entwickelt. Bilder aus der Computertomografie können in das Programm eingespielt werden: „So entsteht ein 3D-Plan des Innenohrs“, sagt HNO-Experte Matthias Graupp. „Dabei werden die einzelnen Gänge des Innenohrs dargestellt und wir können die Operation besser planen.“ So kann schon im Vorhinein entschieden werden, wo genau die Elektrode platziert wird.

Vor allem bei Härtefällen 

Das ist vor allem bei jenen Patientinnen und Patienten wichtig, die beispielsweise aufgrund einer Hirnhautentzündung ertaubt sind. „Häufig ist nach so einer Entzündung das Innenohr vernarbt oder sogar verknöchert. Dann kann das Einführen der Elektrode in das Innenohr deutlich erschwert sein“, sagt der Experte.

Durch die 3D-Rekonstruktion können sich die Ärzte schon vorab neue und andere Wege suchen, um die Elektrode trotzdem in das Innenohr einführen zu können. Bei der Operation wissen die Experten dann genau, auf welche Gegebenheiten bzw. Hindernisse man stoßen wird. „Man hat so auch schon bei schwierigen Fällen vorab einen genauen Plan und weiß wo exakt man das Innenohr aufbohren muss.“ Das habe auch den Vorteil, dass der Eingriff weniger Trauma für das Innenohr bedeute. Damit hängt auch der Hörerfolg zusammen: „Je atraumatischer man den Eingriff machen kann, desto besser sind die Ergebnisse danach“, sagt der HNO-Experte.

Immer personalisierter

Durch die Software ist es weiters möglich, vorab auszumessen, wie lang die Elektrode sein muss. „Es gibt auch Betroffene, die implantiert werden, ohne dass sie vollständig taub sind. Das heißt, sie haben ein Resthörvermögen im Tieftonbereich, aber hören die hohen Töne nicht mehr so gut. Bei diesen Betroffenen nehmen wir dann eine kürzere Elektrode“, sagt Graupp. Mit der Software kann man berechnen, wie weit die Elektrode in das Innenohr hineinmuss, damit die hohen Frequenzen durch die Elektrode und die niedrigen Frequenzen auf natürlichem Weg gehört werden können.

Somit hat sich einiges verändert, seit die ersten Cochlea-Implantate zur Anwendung kamen: „Zu Beginn gab es eine standardmäßige Elektrode für alle Patienten. Wie überall in der Medizin gilt auch hier: Je länger wir all das machen, desto mehr wissen wir. So geht es immer mehr in Richtung personalisierter Medizin“, so der Experte.