Für viele Menschen ist es eines der großen Ziele im Leben: Kinder bekommen und den Nachwuchs beim Aufwachsen zu begleiten. In Österreich erblickten im Jahr 2020 82.950 Neugeborene das Licht der Welt. Doch nicht immer handelt es sich um Spontangeburten. Eine Erhebung von Statistik Austria zeigte nun, dass jedes dritte Kind per Sectio (umgangssprachlich: Kaiserschnitt) zur Welt kommt. Das sorgt auch für Diskussionen, denn die Meinungen divergieren stark – vor allem auch, weil niedrige Kaiserschnittraten auch immer wieder als Qualitätsmerkmal für die Geburtshilfe herangezogen werden.

Seitens der Politik gibt es nun erste Überlegungen, ein Limit für Kaiserschnittraten festzulegen. Die beiden Gynäkologen Wolfgang Schöll und Herbert Fluhr, LKH-Universitätsklinikum Graz, sehen das kritisch: „In erster Linie sollte sich der Geburtsvorgang nicht um die Frage eines Kaiserschnitts drehen. Primär ist immer, dass es Mutter und Kind gut geht. Das ist das zentrale Anliegen unseres Fachs. Dafür sind wir da“, sagt Fluhr.

Die Gründe, warum die Kaiserschnittrate in Österreich steigt, sind laut den beiden Medizinern vielfältig. „In Österreich hat sich der Anspruch der Frauen, was die Sicherheit bei einer Geburt angeht, in den letzten Jahrzehnten verändert", sagt Fluhr. Viele haben durch Eigeninformationen Angst, dass eine herkömmliche Geburt zu gefährlich sein könnte – für sie selbst und vor allem ihr ungeborenes Kind. Welche Methode für Mutter und Kind am sichersten ist, entscheidet sich aber individuell, je nach Situation, sehr oft erst im Kreißsaal.

Auch das ansteigende Alter der Mütter spielt für die steigenden Zahlen eine Rolle. Denn in den letzten 15 bis 20 Jahren hat sich das Alter der Frauen bei einer Erstgeburt um ungefähr fünf Jahre nach hinten verschoben: „Das größte Argument gegen einen Kaiserschnitt sind mehrere weitere geplante Geburten“, erklärt Schöll. Die Regel von vor zehn Jahren – einmal Kaiserschnitt, immer Kaiserschnitt – gilt nicht mehr. Auch nach einer vorhergegangenen Sectio kann eine vaginale Geburt durchgeführt werden, wenn der gesundheitliche Zustand der Frau es erlaubt.

Ein geringes Risiko besteht dabei: In wenigen seltenen Fällen kann die Narbe an der Gebärmutter reißen. Daher wird jungen Müttern, die viele Kinder planen, bei den Geburten der ersten Kinder von einem Kaiserschnitt abgeraten, wenn ein natürlicher Geburtsvorgang möglich ist.

Durch das steigende Alter der Mütter ist diese Sicherheitsvorkehrung nun oft nicht mehr notwendig: „Wenn eine Frau erst Mitte vierzig ihr erstes Kind bekommt, dann ist es unwahrscheinlich, dass sie noch viele weitere Babys zur Welt bringen wird. Hier kann man einen Kaiserschnitt also ohne große Bedenken nachkommen“, so Schöll.


Dazu kommt, dass ältere werdende Mütter ein größeres Risiko mit sich bringen. Sie leiden eher an Vorerkrankungen. Immer wieder wird auch diskutiert, dass Babys heutzutage größer auf die Welt kommen und dass dies häufiger einen Kaiserschnitt notwendig machen könnte: „Wie einige Studien gezeigt haben, dürfte das aber nicht der zentrale Grund sein“, so Schöll.

Die endgültige Entscheidung, ob die Situation einen Kaiserschnitt fordert oder nicht, wird allerdings nie von Arzt oder Ärztin allein getroffen: „Hier gilt das Selbstbestimmungsrecht der Frau. Das letzte Wort hat immer die werdende Mutter. Uns um ihr Wohl und das des Kindes zu kümmern ist erst einmal das Wichtigste. Das ist unser Ziel. Sonst hätten wir überhaupt keine Daseinsberechtigung“, sind sich die beiden Experten einig.

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