Das Babyphon war gestern – heute nutzen viele Eltern verschiedenste Apps und Produkte, um ihre Kinder zu „überwachen“. So wird der Schlaf des Babys mittels Kamera und sogenannter Wearables überwacht, zum Beispiel mit Sensoren in den Söckchen, die kontinuierlich die Atmung, Herzfrequenz und den Sauerstoffgehalt des Blutes messen. Außerdem kann mit den gemessenen Daten das Schlafverhalten des Babys protokolliert werden.

Ist das Baby schon mobil und gern auf Entdeckungstour? Dann helfen etwa Schnuller mit eingebautem Trackingsystem, das Baby sofort zu orten. Zusätzlich messen manche davon die Körpertemperatur des Babys und senden die Daten ans Smartphone der Eltern und auf Wunsch auch gleich an den Kinderarzt. Und dann gibt es noch smarte Windeln: Pampers hat in den USA „Lumi“ entwickelt, das aus einem Windelsensor, einer Überwachungskamera und einer App besteht.

Eine normale Wegwerfwindel kann mit diesem Sensor bestückt werden, der den Feuchtigkeitsgrad der Windel, aktive und Schlafphasen des Kindes misst und die Daten auf das Smartphone überträgt. Ist die Windel zu feucht, heißt es: „Bitte wickeln!“

Die Technikindustrie nützt die Angst der Eltern, etwas zu übersehen oder Bedürfnisse ihres Kindes nicht zu erkennen, und erzeugt entsprechende Apps und Produkte. Doch brauchen wir diese wirklich? „Das Problem ist, dass wir in einer Angstgesellschaft leben – und was machen wir? Wir produzieren mit diesen Apps noch mehr Ängste und verhindern zugleich Selbstverantwortung. Zu meinen, dass wir damit alles unter Kontrolle hätten, ist ein Irrglaube. Vielmehr geht die Autonomie, der eigene Instinkt verloren“, meint Medienpsychologe Alois Kogler. „Als fünffacher Vater verstehe ich natürlich die Angst der Eltern, ihrem Kind könnte etwas zustoßen. Doch man muss das richtige Maß an Eigenverantwortung des Kindes finden.“

Wenn Kinder größer sind, können sie etwa mit einer GPS-Uhr oder ihrem Handy weiterhin gut überwacht werden. Eltern aktivieren einfach den Ortungsdienst, um jederzeit über den Aufenthaltsort ihres Kindes informiert zu sein. Kogler rät jedoch davon ab, Kinder zum Beispiel auf ihrem Schulweg zu „tracken“. „Sinnvoll ist der Ortungsdienst eher am Heimweg von der Disco. Das Tracking an sich ist ja kein Problem, wenn die Eltern ihren Kindern zusätzlich dabei helfen, ihre Grundbedürfnisse zu entwickeln, etwa das nach Kontrolle und Orientierung. Das Bedürfnis nach Bindung und Nähe zu den Bezugspersonen muss unmittelbar sein! Eine App darf nicht zum Ersatzwerkzeug werden. Ich als Vater oder Mutter muss meinem Kind Sicherheit geben, die Selbstständigkeit und das Vertrauen des Kindes in sich selbst fördern. Dazu gehört, sich Zeit für das Kind zu nehmen und dafür zu sorgen, dass es sich auch über seine Ängste oder negative Erfahrungen reden traut. Wir müssen unsere Kinder stark und autonom machen. Ständige Kontrolle und Überwachung ist kontraproduktiv.“

Problem Datenschutz

Ein zusätzlicher Faktor ist der Datenschutz: Datenschützer sehen solche Anwendungen kritisch, geht es doch um sensible Daten. Was mit diesen Daten passiert, ist von den Herstellern kaum zu erfahren. „Es geht immer um die Abwägung zwischen dem Geheimhaltungsinteresse und dem Datenschutz des Kindes einerseits und andererseits dem Standpunkt der Eltern, für das vermeintliche Kindeswohl Daten zu sammeln, um dessen Gesundheit zu schützen“, meint Rechtsanwalt Stefan Schoeller. „Ich meine, dass die kontinuierliche Überwachung, die Sammlung der sensiblen Gesundheitsdaten und der vollständigen Bewegungsprofile unverhältnismäßig und rechtswidrig sind“, sagt der Anwalt.