Wir können unser Gehirn, ähnlich wie einen Muskel, trainieren?

KATHARINA TURECEK: Ja, man kann körperliche mit geistiger Fitness vergleichen: Wenn ich körperlich aktiv bin, werde ich auch körperlich fit. Bin ich geistig aktiv, bleibe ich auch geistig fit.

Wann sollte man mit geistigem Training beginnen?

TURECEK: Dazu gibt es zwei Faustregeln. Erstens, es ist nie zu früh. Kinder fordern sich noch spielerisch. Irgendwann hört man aber auf, sich geistig herauszufordern, und muss es dann gezielt verfolgen. Denn die zweite Faustregel ist: Es ist nie zu spät.

Geht es dabei um gezielten "Denksport"?

TURECEK: Bei geistigem Training geht es nicht um Sudokus oder Kreuzworträtsel, sondern um den Alltag und den Lebensstil: Statt sich eine Stunde hinzusetzen, sollte man das Gedächtnis im Alltag stärker nützen. Wenn ich mir eine Telefonnummer merken will, kann ich das auch.

Ist lebenslanges Lernen wirklich realistisch?

TURECEK: Man kann im Alter nicht mehr genauso gut lernen wie ein zehnjähriger Schüler - das Lernen im Alter geht einfach langsamer. Je älter man wird, umso wichtiger ist es, die Dinge, die man weiß, zu behalten.

Sie schreiben, dass geistiges Training auch eine Demenzprophylaxe sei.

TURECEK: Der Trend geht genau in die Richtung der Prophylaxe. Demenz ist mit dem Herzinfarkt vergleichbar: Es gibt nicht die eine Ursache, sondern die Kombination von verschiedenen Faktoren erhöht das Risiko. Für die Demenz gibt es drei große Risikofaktoren: geistige Inaktivität, körperliche Erkrankungen wie Übergewicht oder Diabetes, und seelisches Ungleichgewicht, durch Stress oder soziale Vereinsamung. Ich kann mich nicht hundertprozentig vor Demenz schützen, aber: Die Hälfte aller Demenzfälle wäre verhinderbar!

Alkohol und Nikotin schaden dem Gehirn, Fernsehen macht dumm: Was ist die größte Bedrohung für die geistige Fitness?

TURECEK: Inaktivität! In Kindheit und Jugend lernen wir ständig, aber im Beruf macht man irgendwann jeden Tag das Gleiche. Damit gibt es für unser Gehirn zu wenige Anregungen.

Wann wird das Vergessen krankhaft?

TURECEK: Klinisch gilt: Wenn Menschen bei Alltagstätigkeiten Probleme bekommen, ist das ein Anzeichen für Demenz. Zum Beispiel Hausfrauen, die früher die ganze Familie bekocht haben, können keine Suppe mehr kochen oder Männer, die immer die Finanzen im Griff hatten, können keine Überweisung mehr tätigen. Bei solchen Anzeichen sollte man einen Spezialisten aufsuchen.