Es war Ende Juli im Jahr 2024 als sich das Leben von Mathilde Reiterer dramatisch veränderte: Wie jeden Tag stand sie in der Früh auf, wollte ins Badezimmer gehen, doch plötzlich bemerkte sie: „Ich bekomme keine Luft.“ Trotz der akuten Atemnot wartete die 77-Jährige noch drei Tage zu, bevor sie ins LKH Südweststeiermark, Standort Wagna fuhr. „Ich habe gehofft, dass es wieder besser wird, aber beim Gehen habe ich gemerkt, dass mit der Luft etwas nicht stimmt.“ Im Krankenhaus wurde sie durchgecheckt und erhielt die Diagnose Herzinsuffizienz. Das Leiden, das landläufig als Herzschwäche bekannt ist, betrifft bis zu 300.000 Menschen in Österreich und ist damit eine der meistverbreiteten Erkrankungen.
Die chronische Erkrankung führt oft zu langen und wiederholten Spitalsaufenthalten, gleichzeitig haben Herzschwäche-Patienten laut Studien eine geringe Therapietreue: Nur 50 Prozent nehmen die Medikamente wie verschrieben ein. Um das zu verändern, wurde das Projekt „Herzmobil“ ins Leben gerufen. Dabei werden Herzinsuffizienz-Patienten im Umgang mit ihrer Erkrankung geschult und für bis zu sechs Monate via Telemedizin begleitet. Auch Mathilde Reiterer nahm an diesem Behandlungsprogramm teil und sagt heute: „Das war die beste Entscheidung.“
Häufige Spitalsaufenthalte verhindern
Welche Folgen eine nicht ausreichend behandelte Herzschwäche haben kann, erklärt Stefan Pötz, ärztlicher Gesamtkoordinator von Herzmobil in der Steiermark: „Leider müssen Herzinsuffizienz-Patienten sehr häufig ins Spital – und mit jedem solchen Akutereignis verkürzt sich die Lebenserwartung.“ Daten zeigen, dass 25 Prozent der Patienten bereits nach einem Monat wieder stationär ins Spital kommen, 50 Prozent nach sechs Monaten. „Genau das wollen wir verhindern und Patienten frühzeitig vor einer Verschlechterung abfangen“, erklärt Pötz das Ziel des Projekts „Herzmobil“.
Das gelingt über die modernen Hilfsmittel der Telemedizin: Über ein Smartphone und eine spezielle App, eine elektronische Waage und ein Blutdruckmessgerät werden die Patientinnen und Patienten genau überwacht. Wie das im Alltag aussieht, erklärt Patientin Reiterer so: „Jeden Tag in der Früh habe ich Blutdruck gemessen, mich gewogen und meine Medikamente eingenommen. Das ist wirklich keine Hexerei“, sagt die Südsteirerin. Über das Smartphone wurden alle Werte der Patientin an ihre betreuende Pflegerin weitergeleitet – am Standort Wagna ist das Diplomkrankenpflegerin Barbara Narrath, die eine spezielle Ausbildung absolviert hat.
Direkter Kontakt zu Fachleuten
„Als das Projekt bei uns vorgestellt wurde, wollte ich sofort mitmachen“, erinnert sich Narrath: Sie war begeistert von der Idee, in der Vorsorge arbeiten zu können und damit zu verhindern, dass Patienten wegen einer akuten Verschlechterung ins Spital müssen. Nach einer Einschulung bekommen die Patientinnen und Patienten die Geräte mit nach Hause und werden für drei Monate von „ihren“ Pflegekräften überwacht: „Ich schaue mir jeden Tag die Messwerte meiner Patienten an, wenn ich sehe, das Gewicht geht rauf oder der Blutdruck passt nicht, rufe ich direkt beim Patienten an“, berichtet Narrath. Braucht es eine Anpassung der Medikamentendosis oder einen Termin beim Arzt? Narrath kann dann auch Kontakt mit den Netzwerkärzten aufnehmen: Das sind Internisten in der Region, die die Betreuung der Herzmobil-Patienten übernehmen.
Für Betroffene wie Mathilde Reiterer bedeutet das Programm vor allem: „Ich wusste, wen ich anrufen kann, wenn ich Fragen habe und die Schwester Barbara war immer für mich erreichbar.“ Die drei Monate des Projekts – bei Bedarf kann auf sechs Monate verlängert werden – dienen nicht nur dazu, die Erkrankung zu stabilisieren, Betroffene werden in der Zeit auch zu Experten für ihre Erkrankung. Denn es gibt eine Zeit nach „Herzmobil“, in der ist auch Patientin Reiterer angekommen: „Ich messe weiterhin den Blutdruck, nutze die Waage und wenn sich was verändert, weiß ich, dass ich reagieren muss“, sagt Reiterer. Ihren Alltag kann die 77-Jährige heute wieder gut meistern: Sie hat ihre Ernährung umgestellt, isst mehr Gemüse, kaum noch Fleisch. „Ich habe auch mit dem Radfahren angefangen“, erzählt Reiterer, dass sie mit ihrem E-Bike in den heimatlichen südsteirischen Weinbergen unterwegs ist.
Erstmals erprobt wurde diese Betreuung von Herzinsuffizienz-Patienten in Tirol, die Steiermark sprang als zweites Bundesland 2019 auf den Zug auf, seit 2022 läuft das Projekt auch in Kärnten. Den Nutzen eines solchen Betreuungsprogramms zeigte eine aktuelle Studie aus Tirol: Sowohl die Sterblichkeit als auch die Häufigkeit von Spitalsaufenthalten konnte reduziert werden, die Lebensqualität verbesserte sich. Das schönste Feedback für Diplompflegerin Narrath ist: „Wenn uns Patienten sagen, sie sind so glücklich, dass sie nun wieder am täglichen Leben teilnehmen können.“