Seinen großen Auftritt verschläft der kleine Erik einfach. Zwölf Wochen ist er nun alt und schläft seelenruhig im Arm seiner Mama Nina Mohorko, während die Kameras rund um ihn blitzen. Mama und Papa Tadej Iršič schauen verliebt auf ihren Sohn, der in seinem kurzen Leben schon so viel mitgemacht hat. Die Ärzte in der slowenischen Heimat der Familie hatten Erik so gut wie keine Überlebenschance gegeben – aber Erik ist ein Kämpfer, wie seine Mama später sagen wird. Und die Ärzte am Kinderzentrum des LKH-Uniklinikums Graz haben es möglich gemacht, dass Erik nun ein „normales“ Leben vor sich hat.

Begonnen hat alles mit einem Ultraschallbild, das eine massive Fehlbildung in der Lunge des ungeborenen Babys zeigte. Riesige Zysten hatten zu schweren Flüssigkeitsansammlungen im kleinen Körper geführt – für Mediziner in Slowenien bestand für das ungeborene Kind kaum eine Überlebenschance. Doch Eriks Eltern wollten das nicht hinnehmen, und so schrieb Vater Tadej eine verzweifelte E-Mail an Philipp Klaritsch.

Klaritsch leitet die Fetalmedizin am LKH-Uniklinikum Graz und als die Eltern in seine Ambulanz kamen, wusste der Mediziner, dass er sofort handeln musste: „Hätten wir diesen Eingriff nicht gemacht, wäre das Kind im Mutterleib verstorben“, erinnert sich Klaritsch. Noch am selben Tag – Mutter Nina war in der 22. Schwangerschaftswoche – führte Klaritsch daher einen Eingriff durch, wie er in Graz davor noch nie gemacht wurde: Mit einer feinen Nadel platzierte er über den Bauch der Mutter einen Shunt in der Lunge des ungeborenen Babys, sodass die Flüssigkeit aus der Zyste abfließen konnte. Der Eingriff funktionierte, Erik erholte sich, die Schwangerschaft lief weiter.

Fetalmediziner Philipp Klaritsch, Kinderradiologe Sebastian Tschauner, Birgit Hochreiner, Pflegeleitung Kinder-Intensivstation, Ernst Eber, Klinik-Vorstand, Kinderchirurgie-Chef Holger Till, Hinrich Baumgart, Intensivstation Kinderchirurgie
Fetalmediziner Philipp Klaritsch, Kinderradiologe Sebastian Tschauner, Birgit Hochreiner, Pflegeleitung Kinder-Intensivstation, Ernst Eber, Klinik-Vorstand, Kinderchirurgie-Chef Holger Till, Hinrich Baumgart, Intensivstation Kinderchirurgie © M. Kanizaj/LKH-Univ. Klinikum Graz

Austausch mit Experten in Philadelphia

Doch mit Eriks Geburt am 29. Jänner taten sich für die Grazer Mediziner neue Probleme auf: Durch die riesigen Zysten war Eriks Lunge kaum funktionsfähig, er konnte nicht selbst atmen. Für Holger Till, Leiter der LKH-Uniklinik für Kinder- und Jugendchirurgie stellte sich die Frage: Wie können sie die Zysten entfernen, damit Eriks Lunge Platz zum Atmen und sein Herz Platz zum Schlagen hat? Mittels 3-D-Rekonstruktion konnten die Experten der Kinderradiologie rund um Sebastian Tschauner den Chirurgen einen Fahrplan in die Hand geben, welche Luftwege, welche Arterien erhalten werden müssen.

Erik mit seinen Eltern und der großen Schwester Lana
Erik mit seinen Eltern und der großen Schwester Lana © M. Kanizaj/LKH-Univ. Klinikum Graz

Und dann stand die nächste Premiere an: Erstmals wurde an der Grazer Klinik sowohl der Ober- als auch der Mittellappen der Lunge eines Neugeborenen entfernt. „Wir haben uns mit den Kinderchirurgie-Zentren in Philadelphia, Hongkong und London ausgetauscht, um die Operation zu planen“, sagt Holger Till – sie war die einzige Chance für Erik.

Der Tag der Operation war für Eriks Eltern ein Wechselbad der Gefühle: „Zuerst hatten wir so große Angst, ob es gut gehen würde“, erinnert sich Papa Tadej. Doch als dann der Anruf der Ärzte kam, dass die Operation ganz ohne Probleme verlaufen sei, waren die Eltern nur noch „überglücklich und so, so dankbar“, erzählt Mama Nina. Zu diesem Zeitpunkt konnten die Eltern erstmals sicher sein, dass ihr Baby überleben wird.

Ein normales Leben vor sich

Insgesamt 55 Tage – fast sein ganzes Leben – verbrachte Erik auf der Intensivstation der Kinderklinik, betreut von Birgit Hochreiner, Stationsleiterin für die Pflege und ihrem Team. „Es ist so schön zu sehen, was Erik alles geschafft hat“, sagt Hochreiner. „Erik hat viele Mamas“, sagt seine „echte“ Mama Nina und meint, dass all die Pflegerinnen auf der Intensivstation fast zur Familie gehören. „Das Team hier in Graz hat funktioniert wie ein Puzzle – hätte nur ein Teil gefehlt, dann wäre unser Sohn heute nicht hier“, fasst Eriks Mama Nina in Worte, was auch Till unterstreicht: „Dass Erik lebt, war eine Teamleistung.“

Und Erik? Der schläft noch immer. Aber er kann mittlerweile auch selbst trinken, ganz ohne Unterstützung atmen, und lächeln. „Erik hat ein normales Leben vor sich“, sagt Kinderklinik-Vorstand Ernst Eber, der als Lungenspezialist eng in den Fall involviert war. Von eigentlich fünf Lungenlappen hat Erik noch drei. Einerseits reicht ein Lungenflügel zum Leben aus, andererseits wächst die Lunge ohnehin bis zum vierten Lebensjahr eines Menschen – das Organ kann sich also regenerieren.

Mama Nina hat vor, ihrem kleinen Helden, später, wenn er älter ist, die ganze Geschichte zu erzählen – sie hat alles mit Fotos dokumentiert. Sie sind der Beweis dafür, was Mutter Nina von Anfang an wusste: „Erik ist eben ein echter Kämpfer.“